»Verbindung von Antifaschismus und Klimagerechtigkeit«

von Nina Rink
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 181 - November / Dezember 2019

#EndeGelände

Seit über vier Jahren steht der Tagebau in der Kritik der Umweltbewegung. Vor allem der Protest im rheinischen Hambacher Forst hat Schlagzeilen gemacht und das Thema auf die umweltpolitische Agenda gesetzt. Für »der rechte rand« sprach Nina Rink mit Aktiven von Ende Gelände (EG) sowie einer Person aus Cottbus, die an Kleingruppenaktionen im Braunkohlerevier beteiligt war.

Antifa Magazin der rechte rand
Aktion von Ende Gelände und anderen Klimaaktivist*innen am RWE Kraftwerk Neurath im Sommer 2019
@ Roland Geisheimer / attenzione

drr: Ihr führt seit 2015 Massenaktionen im Rheinland und in der Lausitz durch – wie reagieren die Menschen vor Ort auf euch?
Da die Aktionen recht abgelegen stattfinden, sind meist nur Kohlekumpels, Security und Polizei anwesend. Bei der Sommer-Aktion 2019 (im Rheinland, Anm. d. R.) war das Camp weit von den Aktionsorten entfernt, so dass lange Demozüge durch kleine Ortschaften mit erstaunlich vielen freundlich grüßenden Menschen führten. Näher am Tagebau war das gefühlt in den letzten Jahren noch anders: Sympathiebekundungen gab es nur sehr vereinzelt. In der Lausitz 2016 wurde die vorbeiziehende Demo mit lauten Bergbauliedern und rechter Musik aus Häusern beschallt.

Welche »Argumente« werden gegen euch vorgebracht?
Die Hauptargumente sind wegfallende Arbeitsplätze. Auch die Versorgungssicherheit, also dass ohne die Kohle »die Lichter ausgehen« würden. Diese Angst vor Blackouts wird als Hauptargument von Gewerkschafter*innen verstärkt. Die RWE-Mitarbeiter*innen selbst nehmen uns als Feinde wahr und zeigen öffentlich eine starke Identifikation mit dem Unternehmen, zum Beispiel über Anpassung ihres Social-Media-Profilbilds.

Was passiert, wenn ihr tatsächlich in die Grube gelangt?
Die Arbeiter*innen sind eher distanziert bis feindselig. 2015 gab es eine größere mediale Debatte über brutales Vorgehen seitens einzelner Security-Mitarbeiter. Auch 2019 in Garzweiler haben einzelne Securities mit gezielten Faustschlägen versucht, uns am Weitergehen zu hindern. Laut eines Medienberichtes sind einige von ihnen über den Verein »Uniter« angeheuert worden.

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Wer sind darüber hinaus die Akteure, mit denen ihr vor Ort zu tun habt?
Die IG BCE organisiert Gegenproteste: Im Rheinland gibt es beispielsweise die von der IG BCE Alsdorf gegründete Gruppe »Schnauze voll von Gewalt«, die aus RWE-Mitarbeiter*innen besteht und uns Gewalt vorwirft. Außerhalb der Aktionen sind Camps und vor allem Mahnwachen Orte, die hin und wieder angegriffen werden, beziehungsweise an denen Menschen mit Autos vorbeifahren und pöbeln.

Welche Erfahrungen habt ihr als EG mit (extrem) Rechten?
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass wir in den letzten Jahren weniger stark im Fokus standen als andere soziale Bewegungen und Gruppen, die von Rechten als Feindbild konstruiert werden. Direkte Bezugnahmen sind oft lokal geblieben und orientieren sich an den Orten unserer Aktionen. Und sie begegnen uns natürlich auch auf Social Media. Aber da mit Fridays for Future das Thema nun sehr viel präsenter ist, rücken auch wir stärker in den Fokus.

Ihr seid auch schon verbal und sogar körperlich von rechten Akteuren angegriffen worden. Was habt ihr da erlebt?
Die schlimmsten Erfahrungen bisher haben wir bei der Aktion in der Lausitz im Mai 2016 gemacht. Eine der Blockaden sah sich einer großen Gegendemo aus Kohlekumpels, Gewerkschaftern und Neonazis gegenüber, aus der später körperliche Angriffe gegen Menschen erfolgten. Zudem sind Neonazis am und auf dem Camp und bei Mahnwachen aufgetaucht und haben gepöbelt. Mindestens eine Person wurde auf dem Camp zusammengeschlagen. Personen wurden beim Verlassen des Camps von Neonazis in Autos verfolgt. Die Polizei hat zum Teil nicht reagiert. In einer Nacht lief eine Gruppe von knapp 60 Neonazis aus dem nahe gelegenen Dorf in Richtung unseres Camps. Sie wurden von der Polizei aufgehalten. Aus Cottbus berichtet uns eine Klima-Aktivistin, sie wurde auch einmal körperlich angegriffen. Andere Aktivistis von vor Ort erzählen ähnliche Stories: »Von verbalen Drohungen, bis zu Schlägen oder dem Zerstechen von Reifen, Explodieren von Briefkästen gab es schon alles Mögliche.«

Gibt es einen Unterschied zwischen Rheinland und Lausitz?
Im Rheinland waren bisher mehr Aktionen, in der Lausitz nur eine, daher ist eine Aussage dazu schwierig. Security-Gewalt ist bisher ein Rheinland-Phänomen. Aber was wir schon sagen müssen und was auch aus Gesprächen zur anstehenden Aktion in der Lausitz nochmal klar wurde: Die Aktion 2016 war für manche Aktivist*innen traumatisierend. Der Blockadeangriff und der unzureichende Schutz auf dem Camp haben Spuren und schlechte Erinnerungen hinterlassen. Wir mussten kurzfristig befreundete Antifa-Strukturen um Unterstützung bitten und auch die Polizei zu unserem Schutz anrufen. Bisher haben wir den Eindruck: Direkte körperliche Gewalt von Rechten ist in der Lausitz ausgeprägter als im Rheinland, die Bedrohungslage fühlt sich krasser an.

Wie sind die Reaktionen im Netz?
Allgemein gibt es viele E-Mails, Social-Media-Kommentare, die schon unter Hate Speech fallen: Beleidigungen, Drohungen und Ähnliches. Dennoch teilt es sich stark auf: Einerseits haben wir uns in den letzten Jahren eine große »Fanbase« erarbeitet, das heißt Menschen, die Inhalte liken, teilen und positiv kommentieren. Aber ebenso gibt es Trollereien mit den immer selben Sinnlos-Argumenten, antifeministisches Mobbing oder Hate Speech gegenüber den Pressesprecher*innen. Teils kommt es auch vor, dass bei Aktionsankündigungen gedroht wird, unsere Aktion zu stören.

Aus welchem Spektrum kommen die Angriffe?
Nach unserer Einschätzung sind es mehrheitlich angeblich »bürgerliche Rechte« und AfD-Anhänger*innen, ergänzt von Angriffen durch Neonazis. Die Angriffe in der Lausitz waren vermutlich Neonazis beziehungsweise organisierte Rechte (Anm. d. R.: Ein Bericht der Opferhilfe von 2016 ordnet die mit Waffen und Sprengkörpern ausgestatteten Angreifer der lokalen Neonazi- und Hooliganszene zu).

Die AfD positioniert sich gerade als Partei gegen Klimagerechtigkeit – was ändert sich dadurch für euch?
Wir müssen uns regional spezifische Gedanken zu unserer Kommunikation machen: Wir betonen stärker die Solidarität mit antifaschistischen Aktionen, rufen teils auch dazu auf oder gehen in Bündnisse. Aus Erfurt wurde uns berichtet, dass die lokale Klimagruppe zusammen mit Antira-, Antifa- und Queerfem-Gruppen aufgrund der angekündigten Massenveranstaltung der AfD zum 1. Mai 2019 ein Bündnis gegründet und Demo und Blockaden organisiert hat. Seitdem verbinden wir unsere Kämpfe durch gemeinsames Aufstellen gegen die AfD – jetzt im Wahlkampf ¬ und versuchen auch, unsere Positionen sichtbarer und deutlicher zu machen und sind mehr und mehr vernetzt und befreundet.

Speziell in der Lausitz konnte die AfD mit ihrer Positionierung als Anti-Klimaschutz-Partei Stimmen holen…
In der Lausitz ist Klima-Aktivismus sehr marginalisiert, daher ist es schwieriger, vor Ort Kontaktpersonen, Ansprechpartner*innen und Verbündete zu finden. Die wenigen, die es gibt, setzen sich größerer Gefahr aus, wenn sie uns unterstützen oder sich positiv zu uns positionieren. Nach einer Aktion müssen sie mit Ärger rechnen. Das ist im Rheinland weniger stark ausgeprägt: Durch langjährige Organisierung in Klimacamps, vielfältige Akteur*innen und Aktionsformen, die Hambi-Besetzung und die Fehler der Landesregierung bei der Räumung 2018 (des Hambacher Forstes, Anm. d. R.) und durch intensivere Versuche lokaler Vernetzung ist der Klima-Aktivismus mittlerweile schon stärker akzeptiert. In der Lausitz dagegen sind wir nur in der Lage, »UFO-Aktionen« zu machen. Wir haben uns dort dennoch für eine Aktion Ende 2019 entschieden, weil wir uns nicht von extrem Rechten diktieren lassen wollen, wo wir unsere Inhalte vorbringen. Trotz der Schwierigkeit, die Sicherheit der Aktivisti zu garantieren und trotz der Gefahr, dass es zu Shitstorms kommt. Eine Aktivistin aus Cottbus berichtet: Es steigt auf alle Fälle das Bedürfnis nach Schutzstrukturen und -konzepten für unsere Aktionen und gleichzeitig machen wir konkret gerade noch mehr Basis- und Aufklärungsarbeit auf dem Land, denn dort ist die AfD ja oft besonders stark. Dem wollen wir etwa mit Infomaterial, das wir in Briefkästen verteilen, entgegenwirken.

Wie wehrt ihr euch gegen die rechte Stimmungsmache, was schlussfolgert ihr daraus?
Wir debattieren darüber, ob wir gezielt die Klimawandelleugner*innen­position der AfD angreifen sollen oder ihnen das nur Aufmerksamkeit verschafft, die wir ihnen eigentlich nicht geben wollen. Da sind wir uns nicht so richtig einig bisher. Einig sind wir uns, dass wir es wichtig finden, die Verbindung von Antifaschismus und Klimagerechtigkeit zu betonen und Solidarität mit und Beteiligung an antifaschistischen Kämpfen zu zeigen. Diese Position tragen wir auch nach außen. Vor rund zwei Jahren wurde eine AG »Ende Gelände gegen Rechts« gegründet. Konkreteres passiert in den genannten lokalen Bündnissen mit anderen emanzipatorischen Gruppen. Für unsere Aktionen, speziell in der Lausitz, müssen wir bessere Schutzkonzepte organisieren. Die Cottbusser*innen arbeiten an einer noch besseren regionalen und überregionalen Vernetzung. Sie wünschen sich außerdem mehr Support aus den Großstädten, denn sie sind lokal leider viel zu wenige, die dauerhaft am Thema arbeiten.

Vielen Dank für das Interview!