Außen Marmor, innen Gips

von Wolfgang Laskowski
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 182 - Januar / Februar 2020

#InstitutFürStaatspolitik

Das »Institut für Staatspolitik« (IfS) hat Medien und Öffentlichkeit erfolgreich davon überzeugt, an seinem Sitz in Schnellroda sei das Zentrum einer rechtsintellektuellen Erneuerung zu finden. Dieser, durch erfolgreiche Selbstvermarktung vermittelte Eindruck, das »Institut« sei der alleinige Impulsgeber der Rechten in Deutschland, hat zu dessen beispielloser publizistischer Aufwertung beigetragen.
Doch wer die Aktivitäten des IfS und seines Kreises über Jahre beobachtet, kann wissen: Hinter der rechtsintellektuellen Marmorfassade sind die ideologischen Säulen, die das IfS tragen, mit der alten Gipsmischung gefüllt: Rassismus, rechtes autoritäres Denken und faschistischer Stil.

Antifa Magazin der rechte rand
Erik Lehnert und Götz Kubitschek warten in Schnellroda auf die Gäste. © Stephanie Heide

Antwort auf diskursive Niederlage
Zum Zeitpunkt der Gründung des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) im Jahr 2000 hatte sich eine gewisse Stagnation im rechtsintellektuellen Milieu breit gemacht. Von dem Aufbruch, den es im Gefolge des Nationalismus der Wiedervereinigung verspürt hatte, war nur mehr die Wochenzeitung »Junge Freiheit« als publizistisches Forum geblieben. Die Versuche hingegen, auf den Kommandobrücken großer Medien- und Verlagshäuser Fuß zu fassen, waren gescheitert. Anders als von den rechten »89ern« erhofft, stand nach 1990 weder die Westbindung des vereinigten Deutschland in Frage noch die aus Sicht der Rechten dominante Fixierung der politischen Kultur auf die Zeit des Nationalsozialismus. In der rechten publizistischen Szene wurde der fortdauernde Triumph einer angeblichen Hegemonie des Linksliberalismus beklagt, die ihren Ausdruck in der Gesellschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung finde. Schließlich wurde der öffentliche Erfolg der Ausstellung »Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944« des Hamburger Instituts für Sozialforschung als diskursive Niederlage empfunden. Darauf gelte es, so Karlheinz Weißmann sinngemäß damals in der Wochenzeitung »Junge Freiheit«, mit der Gründung des IfS zu antworten.

Personal schulen, Resonanzräume erweitern
Von Beginn an ging es dem IfS darum, den akademischen Nachwuchs weltanschaulich zu prägen und zugleich ein Forum rechtsintellektueller Selbstverständigung für Zielgruppen zu schaffen, die von anderen rechten Foren wie den Burschenschaften, dem »Studienzentrum Weikersheim« oder der »Staats- und wirtschaftspolitischen Gesellschaft« (SWG) in Hamburg nicht erreicht wurden. Die »Akademien« genannten Tagungen und Vorträge wenden sich bis heute an eine Zielgruppe in der Altersgruppe bis fünfunddreißig. Zudem ging es darum, die Resonanzräume für rechte Politik zu erweitern. So sprach etwa bereits auf der »2. Sommerakademie« des IfS im September 2001 der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann über »Strategien des Parlamentarismus«. Hohmann sorgte 2003 mit einer antisemitischen Rede zum Tag der deutschen Einheit für einen Skandal, in dessen Folge er aus der CDU ausgeschlossen wurde. Heute sitzt er für die »Alternative für Deutschland« (AfD) im Bundestag.

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Themen und Köpfe
Im Mittelpunkt der Arbeit in Schnellroda standen und stehen bis heute jene zentralen Punkte, die der Rechten Orientierungspunkte weltanschaulicher Vergewisserung sind: Volk, Nation, Identität und daraus resultierend Themen wie Migration, Bildung, Staat und Demographie. Früh beschäftigte man sich im IfS mit Diskursstrategien mit dem Ziel, Methoden der begrifflichen und thematischen Hegemoniearbeit von rechts zu entwickeln, dort »Metapolitik« genannt. Im August 2002 erschien ein Quartalheft zur Frage »Erfolg und Misserfolg in der ›Leitkulturdebatte‹«, in dem exemplarisch erörtert wurde, weshalb sich die CDU damals mit ihrem Begriff »Leitkultur« nicht durchsetzen konnte. Es folgten Arbeiten zur Amadeu Antonio Stiftung und zum Verfassungsschutz. In der seit 2003 erscheinenden Zeitschrift »Sezession« wurde zugleich ein Kanon rechter Autoren etabliert, die weltanschauliche Bezugsgrößen des Milieus sind: von Carl Schmitt und Ernst Jünger zu Armin Mohler und Gerd Klaus Kaltenbrunner.

Strategien politischer Kommunikation
Die Arbeit des IfS als Vortrags- und Lesezirkel hatte jedoch zunächst keine aktivierende Wirkung auf den akademischen rechten Nachwuchs. Es fehlten schlicht die Formen, mit denen sich kulturelle Ausstrahlung jenseits des Dreiecks Volkstanz, Lektüre von Ernst Jünger und Neonazi-Aufmarsch realisieren ließ. In der Folge experimentierte man im Umfeld des IfS mit Formen politisch-kommunikativer Interventionen, die den »68ern« und der Neuen Linken abgeschaut waren. Mal störte man eine Lesung von Günther Grass im Hamburger Thalia Theater, mal enterte die Gruppe um Götz Kubitschek und Felix Menzel die Balustrade des Hauptgebäudes der Berliner Humboldt Universität, wo ein linker Studentenkongress stattfand. Diese Aktionen hatten den Zweck, die Wirkung unkonventioneller Methoden politischer Kommunikation, wie sie später bei den »Identitären« zu finden sein werden, auszuprobieren. Gleichzeitig wurde jungen, aktivistischen Männern ein Angebot zur politischen Vergemeinschaftung gemacht, das über Lektürekurse und die Fecht- und Trinkrituale der Burschenschaften hinauswies.

Durchbruch mit Sarrazin
Die Reichweite der Aktivitäten des IfS beschränkte sich bis 2010 im Wesentlichen auf das eigene Milieu. Außerhalb der rechtsintellektuellen Blase wurde es von Wissenschaftler*innen und Antifaschist*innen wahrgenommen. Dies änderte sich mit dem Erfolg des Buches »Deutschland schafft sich ab« des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin. Sein Buch versammelte zum Thema Migration und Integration all jene rassistischen Thesen und Deutungsansätze, welche die extreme Rechte bereits seit Jahrzehnten vertritt. Sarrazins Buch öffnete die Tür für die gesellschaftliche Akzeptanz rechter und rassistischer Diskurse. Damit verbunden war eine Erweiterung des Resonanzraumes des IfS. Das Sonderheft der »Sezession«, »Sarrazin lesen« wurde bei Amazon zeitweise gemeinsam mit dem Buch »Deutschland schafft sich ab« angeboten. Noch vor der Gründung der AfD fanden sich zwischen zehn bis fünfzehn Prozent in Umfragen bereit, einer »Sarrazin-Partei« ihre Stimme zu geben. Mit der Gründung der AfD im Jahr 2013 fanden jene, die den Thesen Sarrazins zustimmten, ein parteipolitisches Forum.

IfS und AfD
Die Gründung der AfD wurde im IfS-Umfeld mit skeptischer Sympathie begleitet. Die Euphorie war zunächst wohl deshalb gebremst, weil ein nachhaltiger Erfolg einer Rechtspartei in Deutschland bis dahin nicht gegeben war. Dies änderte sich mit der AfD rasch. Eine Mitgliedschaft in der AfD blieb Götz Kubitschek allerdings vom AfD-Bundesvorstand unter Bernd Lucke verwehrt. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, die extrem rechten Kräfte in und außerhalb der Partei zu sammeln und politisch zu formieren. Der Umgang mit der AfD und deren Bewertung war auch ein Grund für den Bruch mit Weißmann Mitte 2014. Während Weißmann den pragmatischen Versuch der Etablierung einer Partei rechts der Union erkannte, blieb Kubitschek der AfD gegenüber ambivalent.
Björn Höcke wiederum bekundete auf einer Tagung des IfS im November 2015, er empfange in Schnellroda »geistiges Manna«. Nicht zuletzt ist der Geschäftsführer des IfS, Erik Lehnert, mindestens bis März 2019 in der AfD-Bundestagsfraktion und seit Herbst 2019 im Vorstand des Stiftungsvereins der parteinahen »Desiderius-Erasmus-Stiftung« tätig. Im IfS ist man jedoch darauf bedacht, sich nicht in Abhängigkeit von der AfD zu begeben. Die Befürchtung: Die AfD werde durch ihre parlamentarische Institutionalisierung an inhaltlichem Profil verlieren. Vielmehr setzt man auf eine strategische Arbeitsteilung zwischen Partei und rechten Mobilisierungen auf der Straße und im Netz.

Politische Projekte
Seinen Ruf, das strategische Zentrum der Rechten in Deutschland zu sein, bezieht das IfS aus der Personalie Götz Kubitschek und seiner Betätigung als Ideenscout für neue Formen rechter Organisation. So reisten er und Martin Semlitsch (Lichtmesz) im Jahr 2012 nach Frankreich zu einem Treffen der »Génération Identitaire«, der organisatorischen Keimzelle der »Identitären«. Von dort brachten sie Bausteine für eine neue rechte Jugendkultur mit, die unter anderem von Martin Sellner aufgegriffen wurden.
Initiativen wie die Gründung der rechten Kampagnenagentur »Ein Prozent«, die in der Öffentlichkeit als »größtes patriotisches Bürgernetzwerk« auftritt, werden wiederum von extrem rechten Akteur*innen umgesetzt, für welche die »Akademien« des IfS Vernetzungsplattform und Ideenbörse waren. Ob das rechte Hausprojekt in Halle oder Internetformate wie der Blog »Laut gedacht«: Sie alle sind praktische Auswirkungen der sich in Schnellroda zusammenfindenden Akteure, die dort geschult und vernetzt werden. Doch nicht jedes im Umfeld des IfS entstandene Projekt ist ein Erfolg, wie das Beispiel des Scheiterns der »Identitären« zeigt.

Mythos Schnellroda
In den vergangenen zwei Jahren ist Götz Kubitschek zum viel por­trätierten vermeintlichen politischen Outlaw der Republik geworden. Er sei »Vordenker«, »Kopf der Rechten in Deutschland«, »Ideengeber« und »führender Rechtsintellektueller«, um nur einige der ihm zugeschriebenen Attribute zu nennen. Das Magazin »Politico« kürte ihn im Dezember 2019 gar zu einer der wichtigsten politischen Persönlichkeiten im kommenden Jahr. Kubitschek und das IfS geben sich alle Mühe, die Fassade ihrer Aktivitäten in glänzendem Marmor erscheinen zu lassen. Die Selbstinszenierung als feinsinnig-distanzierte Intellektuelle, die den Rechtsruck im Land wohlwollend publizistisch begleiten oder als Ratgeber*innen fungieren, verstellt den Blick darauf, dass das IfS zu einer wichtigen Plattform der extremen Rechten in Deutschland geworden ist. Doch anders als die mediale Wahrnehmung glauben machen will, ist es nicht die zentrale Schaltstelle rechter Strategieplanung. Die mediale Fokussierung auf das Schnellroda-Netzwerk ignoriert, dass es mit der »Bibliothek des Konservatismus«, der Wochenzeitung »Junge Freiheit« und der Zeitschrift »Cato« noch andere Akteure im Umfeld der AfD gibt, die zur rechten Ideologieproduktion beitragen.