»Ibiza-Gate«

von Bianca Kämpf

Magazin »der rechte rand« Ausgabe 179 - Juli / August 2019

#Strache

Zum eigentlichen Skandal in Österreich

Am 17. Mai 2019 wurde ein heimlich aufgenommenes Video des Magazins Der Spiegel und der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, in welchem der – mittlerweile ehemalige – FPÖ-Nationalratsabgeordnete Johann Gudenus sowie der – nun ebenfalls ehemalige – FPÖ-Vize-Bundeskanzler Heinz-Christian Strache sich gegenüber einer vermeintlichen russischen Oligarchin während eines Ibiza-Urlaubes im Jahr 2017 besonders ehrlich offenbarten: Neben dem Offenlegen angeblicher Parteispenden unterschiedlicher österreichischer Großunternehmen, wie dem Waffenhersteller Glock oder Red Bull-Besitzer Dieter Mateschitz, boten sie der »Oligarchin« bei einer großzügigen Spende an einen gemeinnützigen Verein – um damit die Überprüfung von Parteispenden durch den Rechnungshof umgehen zu können – im Gegenzug die Übernahme der Kronen Zeitung, der größten Tageszeitung Österreichs, an.

In dem Zusammenhang wurden Journalist*innen als »die größten Huren des Planeten« bezeichnet. Außerdem stellte Strache ihr öffentliche Bauaufträge in Aussicht, die derzeit vorwiegend Hans Peter Haselsteiner, der in der Vergangenheit das »Liberale Forum« sowie die »NEOS« finanziell unterstützte, mit seinem Strabag-Konzern erhält. Die Kronen Zeitung konterte an den folgenden Tagen mit zwei der »Freiheitlichen Partei Österreich« gewidmeten Titelblättern: »FPÖ am Ende« und »Das war’s«.

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In Bezug auf die schwarz-blaue Regierungskoalition sollte sie damit auch Recht behalten – traten nicht nur Gudenus und Strache aus einer ersten politisch-strategischen Notwendigkeit zurück, sondern wurde nach Aufkündigung der Koalition schließlich auch der Bundeskanzler Sebastian Kurz von der »Österreichischen Volkspartei« mittels oppositionellem Misstrauensantrag seines Amtes enthoben. Bis zu den Neuwahlen Ende September wird Österreich nun von einer vom Bundespräsidenten entsandten »Expert*innen-Regierung« verwaltet.

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Trotz des Skandals konnte die rechtsradikale Partei FPÖ sich bei der EU-Wahl behaupten und verlor nur 2,5 Prozentpunkte ihrer Wähler*innen © derrechterand

Der eigentliche Skandal liegt jedoch letztendlich weniger in dem in den Videoaufnahmen Gesagten und Gesehenen, sondern viel mehr im Mangel an Konsequenzen. Dieser hat gerade in Österreich eine besondere Kontinuität: in einem Land, das sich seit seiner Existenz zwischen der Sehnsucht nach einer Autoritätsfigur, nach dem einigenden Moment der (deutschen) Volksgemeinschaft und der narzisstischen Kränkung durch die letztlich doch ausbleibende Verwirklichung jener Sehnsucht bewegt, ist gleichzeitig der Gedanke des »unpolitischen« Zuganges zum Politischen grundlegend gesellschaftlich verankert.
Dass in dieser österreichischen Tradition des Wegsehens und »Nicht-Wissens« während der schwarz-blauen Regierungszeit die diversen neo-nazistischen Vorfälle offizieller FPÖ-Politiker im breiten Diskurs als »Einzelfälle« durchgingen, ist da wenig überraschend. Dass Strache nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos und im Vorfeld der Europawahlen ein »Jetzt erst recht!« auf seinem Facebook-Profil verkündete und schließlich aufgrund von rund 45.000 Vorzugsstimmen den Anspruch auf ein EU-Mandat gehabt hätte, welches er jedoch auf Druck von Seiten der Parteispitze nicht annahm, überrascht insofern ebenfalls nicht, als dass die FPÖ sich erneut erfolgreich und der heimatlichen Konvention getreu als das eigentliche »Opfer« der Vorfälle inszenierte – nachdem es sich bei der Veröffentlichung dieser »besoffenen Geschichte« ja um eine »Schmutzkübelkampagne« gegen die Freiheitliche Partei und ihre Politiker*innen gehandelt habe.

Antisemitische Referenzen ließ Strache dabei ebenso nicht aus, bezeichnete er jene Kampagne als eine in »Silberstein-Manier«, die »an Perfidie und auch an Niederträchtigkeit nicht zu übertreffen ist«. Mit der »Silberstein-Affäre« ist jener antisemitische Diskurs rund um die letzte Nationalratswahl in Österreich gemeint, in welchem der israelische Politikberater Tal Silberstein angeblich Dirty Campaigning für die »Sozialdemokratische Partei Österreichs« betrieb. Auch Bundeskanzler Kurz hielt eine Beteiligung Silbersteins an der Sache nicht für unwahrscheinlich. Der ehemalige Infrastrukturminister und designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer verkündete zuletzt, dass er sich nach den Neuwahlen, die im September 2019 stattfinden sollen, durchaus wieder eine schwarz-blaue Koalition vorstellen könne, denn: »Heftig wurde es bei uns nie«. In der Logik österreichischer Verhältnisse scheint das letztendlich auch die kollektive Wahrnehmung konsequenterweise auf den Punkt zu bringen.