Dreißig Jahre Widerstand

von Andreas Speit
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 178 - Mai / Juni 2019

#Jubiläum

Im Mai 1989 erschien die erste Ausgabe der antifaschistischen Zeitschrift »der rechte rand«.

Manch Name ist neu, die Gedanken aber nicht. Seit 30 Jahren berichtet »der rechte rand« alle zwei Monate über die extreme Rechte, informiert und analysiert. 30 Jahre, in denen die Redaktion und die AutorInnen nie den Rand der Gesellschaft allein, sondern auch deren »Mitte« kritisch skizzierten. Dem sich selbst entlastenden Gerede der »Mitte«, keine Ressentiments zu pflegen, wurde früh widersprochen. Die aktuelle Debatte um die Studie »Verlorene Mitte – Feindselige Zustände« offenbart die anhaltende Abwehr der sich sonst so reflektiert gebenden »Mitte« der Gesellschaft.

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Erste Ausgabe vom Mai 1989 und Ausgabe 178 vom Juni 2019

In Deutschland – für dessen »Mitte« seit jeher nur das »Land der Dichter und Denker« steht – darf nicht sein, was nicht sein soll. Spätestens seit der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 weiß »die Welt« doch, wie lässig und offen die Farben der Nation geschwenkt werden können. Die vehemente Kritik an der Studie, nicht nur von den üblichen Verdächtigen, kann auch als Gradmesser der politischen Atmosphäre betrachtet werden. In den vergangenen 30 Jahren hat die extreme Rechte – von parteipolitischen Formationen über metapolitische Projekte bis zu terroristischen Netzwerken – immer wieder das bundespolitische Koordinatensystem nach rechts verschieben können – und löste damit auch unterschiedliche Gegeninitiativen aus.

Die Wahlerfolge der Partei »Die Republikaner« 1989 führten zur Gründung der Zeitschrift »der rechte rand«. Im Januar des Jahres hatte die Partei des früheren CSU- und SS-Mannes Franz Schönhuber bei der Wahl des Abgeordnetenhauses von Berlin 7,5 Prozent erreicht und im Juni bei der Wahl des Europaparlaments 7 Prozent. Die Debatte, in den damaligen Artikeln der Zeitschrift zu diesem Erfolg, zeigt, dass die heutigen Abwehrmechanismen aus »der Mitte« damals ganz ähnlich erfolgten: Die Partei wurde anfänglich begrifflich nicht klar eingeordnet, die WählerInnen entlastet. Der »Wutbürger« war in den 1990er Jahren noch nicht erfunden. Der Typ »PEGIDA-Versteher«, der nur über alles reden, aber nichts klar benennen wolle, war aber schon wirkungsmächtig.

Magazin der rechte rand
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Die ersten Redaktionsmitglieder richteten das Magazin als ein niedersächsisches Projekt aus, das sie im Laufe der Zeit als norddeutsches und später bundesweites Periodikum etablierten. Von Anbeginn einte die politisch äußerst heterogene Redaktion das Anliegen, ein Magazin von und für AntifaschistInnen zu sein. Eine Recherche der Zeitschrift, die später in Flugschriften oder Blogbeiträgen gegen Rechts aufgegriffen wird, ist bis heute ein Erfolg der Arbeit. Antifaschistische Strategiedebatten griff die Redaktion bewusst nicht auf. Die AutorInnen aus Wissenschaft, Medien, Politik und Zivilgesellschaft sollen nicht durch solche Debatten genötigt werden, sich positionieren zu müssen. Umso deutlicher hat sich »der rechte rand« im analytischen Kontext der rechten Entwicklungen positioniert. Die Maxime von Max Horkheimer: »Wer aber von Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen« wurde in den 30 Jahren beibehalten – was bedeutet, die neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft oder die dynamisierte Globalisierung mit geringer politischer Steuerung mitzudenken. Dezidiert antifaschistisch, dezidiert links – in diesem Land »der Mörder und Henker« wird man da schnell nicht bloß von der extremen Rechten angegriffen.

In den großen Medien war »Rechtsextremismus« lange kein Gegenstand großer Berichterstattung. Einzelne Beiträge etwa in den öffentlich-rechtlichen Sendern waren die Ausnahme. Die blinden Flecke über die Netzwerke der extremen Rechten wurden nachhaltig gepflegt. Eine Überspitzung? Für ein Eigenlob? Nein. Die Bilder nach dem zufälligen Auffliegen des «Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe kamen nicht aus dem Archiv des »DER SPIEGEL« oder der ARD. Sie kamen aus antifaschistischen Recherchenetzwerken, die auch das Magazin »der rechte rand« mittragen.

In den 1990er Jahren hielt kaum eine der großen Redaktionen es für nötig, langfristig Entwicklungen der »Alten« und »Neuen Rechten« zu verfolgen. Heute, wo Online- und Print-Medien nicht nur über die Radikalisierung der »Alternative für Deutschland« (AfD) laufend berichten, ist dies kaum mehr vorstellbar. Doch auch der gesellschaftliche Druck gegen das rechte Milieu bewegt heute die Presse. Ein Widerstand, der den beschleunigten Rechtsruck der vergangenen sechs Jahre kaum bremsen konnte. Wer diese Verschiebung des Sag-, Wähl- und Handelbaren allein als Niederlage »der Linken« oder »des Antifaschismus« betrachtet, missachtet die Machtverhältnisse und die Diskursmächtigkeit.

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»der rechte rand« hat »den Rechten« – in militanten Gruppen, biederen Lesekreisen, esoterischen Zirkeln, politischen Parteien, dem burschenschaftlichen Milieu oder rechten Öko-Initiativen – in den vergangenen 30 Jahren ihre Arbeit enorm erschwert. Wie sähe diese Gesellschaft ohne antifaschistischen Widerstand aus? Die zahlreichen Homestories über einen neu-rechten Verleger oder der Waldspaziergang mit einem völkischen Nationalisten offenbaren die Notwendigkeit der Recherchen und Analysen des »Randes«. Die Feststellung einer »neuen« Bedrohung durch rechte Mischszenen, die das »Bundesamt für Verfassungsschutz« in diesen Tagen ausmachte, dürfte die LeserInnen dieser Zeitschrift nicht überrascht haben.