Ikarus in Magdeburg

von Wolfgang Laskowski
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019

#Poggenburg

André Poggenburg war als Partei- und Fraktionschef der »Alternative für Deutschland« in Sachsen-Anhalt einer der rechten Taktgeber der Partei. Doch sein Höhenflug endete nach einer Rede, die er beim politischen Aschermittwoch 2018 in Sachsen gehalten hatte. Im Januar 2019 verließ er Partei und Fraktion.

poggenburg
© Christian Ditsch

Ein Bild aus glücklicheren Tagen zeigt André Poggenburg am Abend der Landtagswahl im März 2016 auf einer Wahlparty in Magdeburg. Eingerahmt von Jürgen Elsässer (»Compact«) und Götz Kubitschek (»Institut für Staatspolitik«) strotzt Poggenburg vor Selbstbewusstsein. Sein Landesverband hatte damals mit 24,3 Prozent der Stimmen das bislang höchste Wahlergebnis der »Alternative für Deutschland« (AfD) seit deren Bestehen und zahlreiche Wahlkreise direkt gewonnen. In der Folge stieg André Poggenburg zu einem der einflussreichsten Männer in der AfD auf: Fraktionschef im Magdeburger Landtag und neben Höcke einer der prägenden Köpfe des »Der Flügel«, der alsbald die AfD dominierenden völkisch-nationalistischen Strömung der AfD. Poggenburg war bereits 2013 in die Partei eingetreten und wurde rasch zum Kreisvorsitzenden im Burgenlandkreis gewählt. In den innerparteilichen Konflikten um die ehemaligen Parteichefs Bernd Lucke und Frauke Petry vertrat Poggenburg einen strammen Rechtskurs. Er sprach sich 2015 für die Aufnahme Götz Kubitscheks in die AfD aus, als dies im Bundesvorstand der AfD noch keine Mehrheit fand. Poggenburg war einer der Erstunterzeichner der »Erfurter Resolution«, der Gründungserklärung des völkischen Flügels der AfD. Über Jahre war er bei »Compact«, als Teilnehmer beim »Institut für Staatspolitik« (IfS) und Redner beim »Kyffhäuser-Treffen« eine feste Größe. Vor seinem politischen Engagement war Poggenburg als selbstständiger Unternehmer tätig. Allerdings war er mit einem Autokühlerfachbetrieb nicht sehr erfolgreich. Offenbar hat die Firma ihren Geschäftsbetrieb seit 2016 eingestellt.

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Marke Poggenburg
In und außerhalb des Landtages ging Poggenburg mit dem rhetorischen Holzhammer zu Werke. Mit Anleihen an das Vokabular der Nationalsozialisten wusste Poggenburg immer wieder zu provozieren, was in den Medien ein breites, polarisierendes Echo fand und ihm eine bundesweite Bekanntheit einbrachte. Zu keinem Zeitpunkt ließ Poggenburg einen Zweifel darüber aufkommen, dass er mit Gruppierungen wie PEGIDA und den »Identitären« kooperieren wollte. In seiner Zeit als Fraktionschef im Landtag von Sachsen-Anhalt wurde die AfD-Landtagsfraktion zum Magneten für rechte Burschenschafter und ehemalige Neonazis, die als Fraktionsmitarbeiter oder persönliche Referenten von Abgeordneten tätig sind. Einen echten politischen Coup dachte Poggenburg eingefädelt zu haben, als er im Januar 2017 auf einer Veranstaltung der »Campus Alternative« in der Magdeburger Universität sprechen wollte. Doch die Studierenden wollten Poggenburgs Vortrag nicht hören und pfiffen ihn aus. Daraufhin beschimpfte er linke Studierende als »Lumpen«, die »einer geregelten Arbeit zugeführt« werden sollten. Was als Provokation des studentischen Milieus gedacht war, wurde für Poggenburg und sein Umfeld zum Fiasko. Doch innerparteilich geriet Poggenburg ob seiner selbstherrlichen Machtausübung ab 2017 in die Kritik. Es folgten Machtrochaden und Personalquerelen, in denen viel schmutzige Wäsche gewaschen wurde. Die Anstellung seiner Lebensgefährtin Lisa Lehmann als Auszubildende in der Fraktion brachte ihm den Vorwurf ein, Vetternwirtschaft zu betreiben. Bereits zuvor hatten ihm Abgeordnete der Fraktion einen autoritären Führungsstil vorgeworfen und die Fraktion verlassen. Wiederholt kamen Chats und Emails an die Öffentlichkeit, in denen sich Poggenburg rassistisch, sexistisch und extrem rechts äußert. Dabei unterschied ihn seine derbe Wortwahl deutlich von Björn Höcke, der stets bemüht ist, seine harten rassistischen Aussagen intellektuell zu verpacken. Poggenburgs Rede zum Aschermittwoch 2018 in Sachsen dürfte nur der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte. Für seine Wortwahl wurde Poggenburg auf einem Aufmarsch des rechten Netzwerkes »Zukunft Heimat« in Cottbus, wenn auch nicht namentlich, von Götz Kubitschek kritisiert. Danach wurde der Konflikt zwischen Poggenburg und seiner Fraktion offen ausgetragen. Anders als Björn Höcke und Andreas Kalbitz ist Poggenburg kein Mann taktischer rhetorischer Rücksichtnahmen. Stets lehnte er es als Opportunismus ab, sich im Tonfall zu mäßigen. Die Scheidung zwischen Poggenburg und der AfD liegt weniger in gegensätzlichen politischen Auffassungen, denn in Poggenburgs Persönlichkeit und seinen öffentlichen Auftritten begründet.

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Hier sind André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt, Björn Höcke aus Thüringen und der Brandenburger Andreas Kalbitz 2016 in Salzwedel © monitorex


Von der AfD zur AdP
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Am 11. Januar gab Poggenburg die Gründung der Partei »Aufbruch deutscher Patrioten« (AdP) bekannt. Gemeinsam mit Egbert Ermer, ehemaliger AfD-Kreischef in der Sächsischen Schweiz – Osterzgebirge, und Benjamin Przybylla erklärte Poggenburg, die AfD sei nicht mehr der Ort für authentischen Patriotismus. Opportunismus und Anpassung an den Mainstream hätten in der AfD Platz gegriffen. Dem setze die AdP einen unverfälschten und ehrlichen Patriotismus entgegen, der für ein Bündnis mit der Straße stehe. Gemeint sind rassistische Straßenproteste wie PEGIDA und ihre Ableger in anderen Bundesländern. Ob die AdP zu allen kommenden Landtags- und Kommunalwahlen wird antreten können, hängt vom Fortgang ihres Organisationsaufbaus ab. Dieser scheint sich derzeit in erster Linie auf Sachsen zu konzentrieren. Die AfD ging im Februar mit einer einstweiligen Verfügung – vorerst erfolgreich – gegen das Namenskürzel AdP vor. Es bestehe, so argumentierte die klageführende AfD, Verwechslungsgefahr mit ihrem Parteikürzel.

* »Aufbruch deutscher Patrioten – Mitteldeutschland« (kurz: ADPM)

Aus dem Bauch heraus rechts
Poggenburg ist kein ideologischer Kopf, kein Mann der Programmatik. Unter dem Mantel dessen, was bei ihm als Patriotismus firmiert, ist für viele Versatzstücke extrem rechter Ideologie Platz. Dass er seine extrem rechten Ansichten als genuin konservativ deklariert, unterscheidet ihn nicht von anderen in der extremen Rechten. Poggenburg hat eine Vorliebe für die Verwendung von Begriffen des Nationalsozialismus, seine kokette Bezugnahme darauf spielte in der Vergangenheit erfolgreich mit dem Mittel der Provokation. Im Kern jedoch lassen seine Reden und Statements auf die Ideenwelt einer rechtsautoritär formierten Gesellschaft schließen. Wie schon die sächsische NPD findet Poggenburg Lob für die restriktive Migrationspolitik der DDR und deren sekundären Nationalismus. Seine reaktionäre Heimattümelei hingegen ist in viele Richtungen anschlussfähig. Sie soll die Brücke sein, die rechtskonservative WählerInnen mit nach rechts gerückten OstalgikerInnen und harten Neonazis verbinden könnte. Medial kämpft Poggenburg inzwischen fast verzweifelt um Aufmerksamkeit. Zum Jahresauftakt 2019 versandte er noch einmal wie schon 2015/16 »Grüße an die Volksgemeinschaft«. Mit dem Ziel, einen Eklat zu provozieren, trat er Ende Januar 2019 mit einer blauen Kornblume am Revers, dem Erkennungszeichen der NS-Bewegung in Österreich vor 1933, im Landtag auf. Doch ergeht es ihm wie Frauke Petry nach ihrem Austritt aus der AfD. Ohne den medialen Resonanzraum der AfD als Motor und Taktgeber extrem rechter Diskurse im Land agiert André Poggenburg als eine Art Magdeburger Ikarus. Sein politischer Absturz dürfte sich vollenden, wenn es darum geht, 2021 erneut ein Landtagsmandat zu erringen. Bis dahin wird Poggenburg nichts unversucht lassen, durch Selbstinszenenierung auszugleichen was er durch seinen Weggang aus der AfD an politischem Schwergewicht eingebüßt hat.