Angst vor Bildung

von Florian Schubert
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 175 - November / Dezember 2018

#Schule

Mit dem »Informationsportal ‹Neutrale Schulen Hamburg’« fordert die Bürgerschaftsfraktion der »Alternative für Deutschland« SchülerInnen und Eltern auf, LehrerInnen zu melden, die sich im Unterricht kritisch zu der Partei geäußert haben. Denunziation vom Feinsten!

Magazin fder rechte rand

F** AFD © Roland Geisheimer / attenzione

In Hamburg hat die Bürgerschaftsfraktion der »Alternative für Deutschland« (AfD) im Frühjahr 2017 eine Große Anfrage zur politischen Neutralität an Hamburger Schulen gestellt, in der behauptet wird, es sei zur Verletzung der politischen Neutralität bei Veranstaltungen des »Hamburger Instituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung« (LI), an Schulen und beim verwendeten Lehrmaterial gekommen. Im September nun hat die AfD, begleitet von einer breiten medialen Berichterstattung, eine Plattform freigeschaltet, auf der vermutete Verstöße gegen die politische Neutralität anonym gemeldet werden können. Eltern und SchülerInnen sollen Lehrkräfte denunzieren, wenn diese sich im Unterricht mit der AfD kritisch auseinandersetzen. Gewerkschaften und LehrerInnenverbände üben starke Kritik an der Einrichtung eines solchen Portals, da auf diese Weise insbesondere SchülerInnen vereinnahmt, instrumentalisiert und zu Denunziation aufgefordert würden. Darüber hinaus würden Lehrende eingeschüchtert, auch weil mit Dienstaufsichtsbeschwerden gedroht wird. Die Hamburger Schulbehörde prüft deshalb, ob sie rechtliche Schritte gegen die AfD einleitet. Derweil etabliert sich kreativer Widerstand gegen die Plattform. Tausende kamen dem Aufruf der Kabarettistin Birte Schneider aus der »heute Show« nach und schrieben die AfD-Plattform mit satirischen Inhalten an.

Mit Anfragen gegen Kritik
Seitdem die AfD 2015 in die Hamburger Bürgerschaft eingezogen ist, hat sie über 30 Kleine und Große Anfragen gestellt. Drei Anfragen betrafen 2016 den Schulbuchverlag »Schroedel«. Angeblich würden in den Lehrwerken dieses Verlags der AfD Aussagen zugeschrieben, die nicht stimmten, zum Beispiel »Ausländer raus!«. Mit dem Verweis auf den Beutelsbacher Konsens wird gefordert, diese Materialien nicht mehr zu verwenden. Der Senat antwortete, dass die Schulen selbständig über die im Unterricht eingesetzten Materialien entschieden. und stellte fest, dass die Arbeitsblätter die erforderlichen Grundsätze erfüllen, wenn das jeweilige Thema im Unterricht kontrovers behandelt werde. Daraufhin wollte die AfD wissen, an welchen Schulen die Arbeitsblätter eingesetzt werden. Die Antwort des Senats lautete, 46 der 147 allgemeinbildenden Schulen und 12 der 39 staatlichen berufsbildenden Schulen verwenden die Arbeitsblätter.

In einer weiteren Anfrage wurden ebenfalls 2016 die von der von der »Amadeu-Antonio-Stiftung« herausgegebenen »Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD«, die auch von der »Gewerkschaft Erziehungswissenschaften« (GEW) verbreitet werden, kritisiert. Die AfD monierte erneut mit Verweis auf die gebotene Neutralität an Hamburger Schulen, sie werde in den Handlungsempfehlungen verunglimpft. Zudem wollte sie Auskunft darüber, welche Nicht-GEW-Mitglieder mit der Broschüre befasst waren. Zu dieser Darstellung schrieb die AfD eine Gegendarstellung, die von der GEW ihrerseits mit einer Pressemitteilung kommentiert wurde. Der Senat wiederum antwortete, die Gewerkschaftszugehörigkeit sei eine Angabe, die er nicht verbreiten dürfe.

Insgesamt sieben Anfragen wurden zu einer Veranstaltung im Herbst 2016 am LI gestellt. Die Veranstaltung trug den Titel: »Gefährliche Bürger – wie die neue Rechte in die gesellschaftliche Mitte vorstößt und was die Gesellschaft dagegen tun kann.« Die AfD reichte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen vier Mitarbeiter und den Direktor des LI ein. Der Senat verfolgte die Dienstaufsichtsbeschwerde nicht weiter und lehnte sie nach Prüfung ab, weil keine Verstöße gegen das Neutralitätsgebot vorlagen. Auch das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« ist der AfD ein Dorn im Auge. Daher verwundert es auch nicht, dass sie wissen möchte, ob BeamtInnen dieses Bündnis aktiv unterstützen und ob dies mit dem Beamtenstatusgesetz vereinbar sei. Der Senat stellt sich auch hier hinter die BeamtInnen mit der Feststellung, diese stünden unter dem Schutz der freien Meinungsäußerung.

Mit Anfragen gegen Geflüchtete
Eine ziemlich deutliche Sprache sprechen zwei Anfragen, in denen Schulranzen-Spenden für geflüchtete Kinder und Jugendliche thematisiert werden. Die Jugendlichen und Kinder an Hamburgs Schulen würden angeblich unter Druck gesetzt, um dieser Aktion nachzukommen. Auch hier gab es wieder die Nachfrage, an welchen Schulen solche Aktivitäten unterstützt würden. Der Senat erwiderte, hier liege seiner Meinung nach ein Missbrauch des Fragerechts vor. Er lehnte es ab, sich durch die Beantwortung der Unterstellungen des Fragestellers dessen Position zu eigen zu machen. Des Weiteren erachte der Senat solche Spendenaktionen als sinnvoll, weil dadurch das gesellschaftliche Engagement von SchülerInnen gestärkt werde.

wenn SchülerInnen »F** AFD« schreiben, passt der AfD das nicht

Anfragen für Öffentlichkeit
Die AfD klagt regelmäßig darüber, dass sie nicht wie andere Parteien zu Schulveranstaltungen eingeladen werde. Sie verweist darauf, dass in Hamburg allen Parteien der Bürgerschaft das Angebot der Teilnahme unterbreitet werden muss. Nicht geklärt ist aber, ob dies wirklich auf jede Form der Veranstaltung zutrifft. Der Senat unterstützt die Ansicht der AfD in diesem Punkt. Wenn aber die AfD eingeladen wird und SchülerInnen ihren Unmut über die Politik der AfD deutlich zum Ausdruck bringen, dann passt es der AfD auch nicht. Sie beklagt sich zum Beispiel darüber, dass der Schriftzug »AfD verhindern« auf dem Fußboden einer Schule stand. Auch Plakate, die von SchülerInnen in einer Schule mit der Aufschrift »F** AFD« angebracht waren, bemängelt sie. Darüber hinaus wurde eine einzelne Lehrkraft durch die AfD angegangen, weil diese sich kritisch gegenüber der AfD im Geschichtsunterricht geäußert habe. Hier knickte der Senat in seiner Antwort ein und erklärte, mit der Lehrkraft reden zu wollen, anstatt sich hinter diese zu stellen.

An einer Gewerbeschule wurde auf einer Konferenz beschlossen, eine Veranstaltung lieber ganz abzusagen als der AfD ein Podium zu bieten. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass »aus unserer Sicht Neutralität gegenüber Pluralismus nicht möglich (sei), weil eine antidemokratische und rassistische Gesinnung unserem Bildungsauftrag (…) widerspricht«. Daraufhin stellte die AfD zwei weitere Anfragen. Dem Senat zufolge sei der Konferenzbeschluss rechtswidrig und die Veranstaltung müsse durchgeführt werden. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Schulbehörde soweit in die Autonomie der Schule eingreifen darf, dass ein solcher Beschluss der LehrerInnenkonferenz aufgehoben werden kann. Gegen die Gewerbeschule richtete sich eine weitere Anfrage der AfD im Mai 2018 wegen eines »FCK AfD«-Schildes bei einer Veranstaltung im September 2017 in der Schule. Auch hier verwies der Senat in seiner Antwort darauf, dass ein solches Banner nicht erlaubt sei. Die AfD reichte im Nachgang mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Schulleitung ein, über die noch nicht entschieden ist.

Im Mai 2018 verlangte die AfD dann in einer Großen Anfrage die Auflistung aller Veranstaltungen an Schulen, bei denen ParteivertreterInnen eingeladen wurden. Die damit verfolgte Strategie ist klar: Eine Partei versucht, mit ihren Positionen und Grenzüberschreitungen den Diskurs zu bestimmen. Parallel dazu beschwert sie sich, durch ein angebliches gesellschaftliches Meinungsverbot an der Redefreiheit gehindert zu werden. Mit Hilfe von Kleinen und Großen Anfragen sowie mit Dienstaufsichtsbeschwerden will die AfD Einfluss auf den Unterricht und die politische Meinungsbildung an Schulen nehmen. Ihr Vorgehen begründet sie mit dem einzuhaltenden Neutralitätsgebot. Allerdings »vergisst« sie dabei, dass mit dem im »Beutelsbacher Konsens« festgelegten Prinzip des Kontroversitätsgebots eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD eingefordert wird. Der AfD ist jedoch alles zuwider, was nicht ihrer rechten Ideologie entspricht. Dafür arbeitet sie mit Drohungen bis hin zu Unterlassungsforderungen, scheut aber die politische Auseinandersetzung zur Sache selbst. Was ihr nicht gefällt, soll verboten werden.

Denunziation macht Schule
Und so dient der »LehrerInnen Pranger« in Hamburg der AfD in anderen Bundesländern als Vorbild. In zwei Dritteln aller Bundesländer wird von den dortigen AfD-Fraktionen überlegt, ähnliche Meldeportale online zu setzen. In Baden-Württemberg schaltete die AfD Anfang Oktober auch ein Meldeportal frei. Während in Hamburg versichert wurde, vertraulich mit den Personendaten umgehen zu wollen, sollen in Baden-Württemberg die Namen sowohl von LehrerInnen als auch ProfessorInnen veröffentlicht werden. Zur zusätzlichen Einschüchterung wird mit Dienstaufsichtsbeschwerden gedroht. Die Denunziations-Plattform kam im Südwesten bislang nur kurz zum Einsatz; die AfD hat die Seite nach einigen Tagen aufgrund eines angeblichen Hackerangriffs offline genommen.

In Sachsen-Anhalt will die AfD die Förderung des Netzwerks »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« einstellen, da dieses eine »linke Indoktrination, Meinungs- und Gesinnungsdiktatur« sei. Der dortige AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner ist der Meinung: »Politik hat an den Schulen wenig zu suchen« und »(w)ir verwehren uns gegen eine Vermischung von Politik und Schule«.

 

»Wenn wir kommen, wird ausgemistet«

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Zur Bildungs- und Schulpolitik der »Alternative für Deutschland«

 

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Kampf gegen die offene Gesellschaft

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#Rollback Kultur-, Bildungs- und Medienpolitik: Die kulturpolitische Agenda der Partei »Alternative für Deutschland« will den Marsch in die völkisch-autoritäre Gesellschaft.