Erbärmlich

Andreas Speit
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 - September / Oktober 2018

#entartetekunst

Das Kameradschaftsspektrum mobilisiert, die „Alternative für Deutschland“ (AfD) kritisiert und die CDU moniert. Mit Erfolg: Die Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ darf nicht auf der Bühne der Stiftung Bauhaus Dessau auftreten. Die Stiftung untersagte mit Verweis auf das Hausrecht die geplante Aufzeichnung für das Musik-Format 3sat “ZDF@Bauhaus”. Im “Kulturkampf von rechts” hat sich nicht bloß eine militant-extrem-rechts-konservative Allianz gefunden. Die Stiftung löst nicht nur einen kulturpolitischen Skandal aus, sie entzieht sich vor allem ihrer eigenen Historie.

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© Chris W. Braunschweiger / wikimedia

Im Jahr 2018 dürfte die These, deutsche Popkultur sei unpolitisch, widerlegt sein. Nicht bloß Auftritte von „Feine Sahne Fischfilet“ störten die vermeintlichen RetterInnen des Abendlandes – auch im Westen. In Hamburg wollte die AfD-Bürgerschaftsfraktion 2016 das Konzert der Punkband „Slime“ beim Hamburger Hafengeburtstag verhindern. Die Band spielte, sang mit dem Publikum ihr Anti-Vaterlandslied “Deutschland muß sterben, damit wir leben können!” und ihren Anti-AfD-Song “Sie wollen wieder schießen dürfen”. “Ganz Hamburg hasst die AfD” wurde skandiert. Hamburg ist aber nicht Sachsen-Anhalt, die Hansestadt an der Elbe nicht die Bauhausstadt im Gartenreich.

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© Staatskanzlei
»Hier macht das Bauhaus Schule« Spruch für Autobahn-Schild für Sachsen-Anhalt.

In dem nun auch nicht mehr ganz so neuen Bundesland offenbarte „Feine Sahne Fischfilet“, dass die feuilletonistische Kluft zwischen den „Neuen Rechten“ und den bürgerlichen Konservativen schnell überwunden werden kann. Sie eint die Aggression auf eine Band, die “Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck!” intoniert, und sie offenbaren so ihre Geistesverwandtschaft, ihre ausbaufähige Nähe. In der ZDF-Talkrunde “Maybritt Illner” hatte gerade erst der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt, nach der bayerischen Landtagswahl erklärt, das “bürgerliche Lager” habe “65 Prozent” erreicht. Erst auf das Nachfassen des Vorsitzenden der Grünen, Robert Haberbeck, dass Dobrindt mal so ganz nebenbei die AfD zum eigenen, bürgerlichen Lager zähle, wurde zu relativieren versucht.

Die Kritik dieses Milieus an dem Konzert ignoriert zudem ohne wenn und aber die Kunstfreiheit. Die Stiftung um Bauhausdirektorin Claudia Perren nimmt jedoch des Weiteren eine Gleichsetzung vor. Heißt es doch in der Erklärung zum Einknicken gegen rechts: “Politische extreme Positionen, ob von rechts, links oder andere finden am Bauhaus Dessau keine Plattform”. Dank dieses Extremismusansatzes darf jetzt ergänzt werden, dass der Einsatz für Menschenrechte, humanistische Positionen, emanzipatorische Ideen und soziale Utopien dort ebenso keinen Platz mehr haben.

Der Idee des Bauhauses folgte die Stiftung nicht. Die Bauhaus-Kunst – die Ästhetik, die Form und das Material – wollte nie Kunst als „L’art pour l’art“ in einen „Heiligtum“ sein. Ihre VertreterInnen wollten das Leben des Menschen im Alltag ästhetisieren – und für alle Menschen Design für den Esprit realisieren. Im April 1919 hob Walter Gropius im Manifest des Weimarer Bauhaus‘ die gesellschaftliche Relevanz der Kunst und des für ihre Ausübung erforderlichen Handwerks hervor: „Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers.“ Ein politisches Statement des Bauhaus-Gründers im Diskurs über Kunst, das er noch erweiterte: „Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte!“ Schnell wurde diese Idee des Bauhaus von KünstlerInnen um der Kunst willen und Blut-und-Boden-VertreterInnen angefeindet.

Die Schikanen gegen das von der neuen bürgerlichen Mehrheit ungeliebte Bauhaus führten 1925 letztlich zur ersten Flucht aus Weimar nach Dessau. 1932 schloss der Stadtrat mit nationalsozialistischer Mehrheit das Bauhaus. Als Privatinstitut floh die Lehranstalt jetzt nach Berlin. Auch mit Opportunismus versuchte der damalige Leiter Ludwig Mies van der Rohe das Institut zu retten. 1933 gab er wegen des politischen Drucks auf.

Die Stiftung beruft sich in ihrer Absage indes auf die Geschichte. Am 29. Januar 1920 habe das staatliche Bauhaus Weimar erklärt: „Zu den wiederholten Beschuldigungen einer radikal-politischen Parteinahme im Bauhaus haben die Leitung und der Meisterrat schon mehrfach mit der Erklärung Stellung genommen, daß jede politische Tätigkeit im Bauhaus von jeher untersagt war.“

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Feine Sahne Fischfilet Sänger Monchi beim Wir Sind Mehr Konzert – Chemnitz 2018 © Chris W. Braunschweiger / wikimedia

Dieses Statement verhinderte nicht die politische Verfolgung und Vertreibung der “Ikone der Moderne” aus Deutschland. Die Stiftung hätte aus ihrer Historie auch eine andere Reaktion finden können – statt Konformität mit einem rechten Zeitgeist, Konfrontation mit diesem. Die damals formulierte Neutralität ist vor dem Nationalsozialismus und Auschwitz ambivalent, heute bedeutet Neutralität bei rechten Anfeindungen und Angriffen aufzugeben und einzuknicken. Das ist vorauseilender Gehorsam vor den Forderungen der extremen Rechten, vorexerziert von CDU und der Stiftung Bauhaus Dessau.

„Neue Maßstäbe in Sachen Erbärmlichkeit“ nennt das die Band in einem Statement. Nach der Absage ist die Kulturpolitik des Landes – sorry –
„komplett im Arsch“.

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