Partei des Militarismus

von Lucius Teidelbaum

Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Die »Alternative für Deutschland« verteidigt das Soldatentum und die Traditionen der deutschen Armeen. Sie steht für mehr Militär und Wehrpflicht zur Durchsetzung deutscher Interessen.

Erst vor kurzem, im Mai 2017, gründete sich der »Arbeitskreis Bundeswehr und Wehrpolitik in der AfD«. Im Gründungsdokument fordert die Gruppe aus aktiven und ehemaligen Soldaten »eine schlagkräftige und einsatzbereite Bundeswehr« und die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Eine »europäische Armee« wird abgelehnt und stattdessen das Bekenntnis zum »Dienst an Volk und Vaterland und Wahrung soldatischer Tugenden« abgelegt. Es gelte, die »Werte deutschen Soldatentums« und ein Traditionsverständnis zu würdigen, »das die herausragenden Leistungen deutscher Soldaten vergangener Generationen angemessen würdigt«. Die »Alternative für Deutschland« (AfD) wünscht sich insgesamt einen höheren Stellenwert des Militärischen in der Gesellschaft. Den ausgewiesenen Bismarck-Fans Björn Höcke oder Alexander Gauland, die in der Partei eine wichtige Rolle spielen, dürften dabei preußische Verhältnisse vorschweben. Speziell Gauland lieferte bereits vor einigen Jahren Einblicke in seine militaristische Gedankenwelt: »Die Deutschen haben ein gestörtes Verhältnis zur militärischen Gewalt. Sie betrachten sie nicht als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln im Sinne von Clausewitz, sondern als das schlechthin Böse und Falsche, als ein Mittel, aus dem nie und unter keinen Umständen Brauchbares entstehen könne. (…) Statt (…) immer von Neuem die pazifistische Melodie zu singen, wäre es klug, eine politische zu intonieren, weil eben militärische Gewalt (…) nicht an sich schlecht, sondern nur als falsche Politik schlecht ist. Das aber setzt voraus, dass die Deutschen wieder eine Tatsache der Weltgeschichte akzeptieren lernen, die Bismarck in seiner ersten Regierungserklärung als preußischer Ministerpräsident 1862 in die berühmten Worte fasste: ›Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut.‹«

Effizientere Armee
In rechten Kreisen wird oft der Zustand der als »Uschi-Wehr« geschmähten Bundeswehr beklagt. Auch die von Höcke und Gauland im November 2015 veröffentlichten »Grundsätze für Deutschland« kritisierten: »Deutschland muß selbstbestimmt handeln!«. Und: »Deutschland ist nach Einschätzung höchster Sicherheitsbeamter nicht mehr in der Lage, die innere wie die äußere Sicherheit zu garantieren. Und was macht die Bundeswehr? Sie dient in der ganzen Welt fremden Interessen, während die hiergebliebenen Soldaten ihre Kasernen für Asylsuchende räumen und Toiletten in Erstaufnahmeeinrichtungen reparieren.« Auch im Bundesparteiprogramm beklagt sich die AfD: »Die deutschen Streitkräfte sind derzeit nur noch bedingt einsatzbereit. Durch politische Fehlentscheidungen und grobes Missmanagement wurden sie über nahezu drei Dekaden hinweg vernachlässigt. Sie müssen in vollem Umfang wieder in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben wirkungsvoll und nachhaltig zu erfüllen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass Nato, EU und internationale Staatengemeinschaft Deutschland als gleichberechtigten Partner wahrnehmen.« Eine effiziente Armee wird aber als Garant zur Wahrung deutscher Interessen betrachtet. Deswegen fordert die AfD in ihrem Programm, »die militärischen Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte wiederherzustellen« und begründet das: »Diese von der AfD geforderte Wiederherstellung soll nicht nur die Landesverteidigung als zentrale Aufgabe der Bundeswehr sicherstellen, sondern die deutschen Streitkräfte auch in erforderlichem Maß zur Bündnisverteidigung und Krisenvorsorge befähigen.« Hierfür benötige Deutschland »Streitkräfte, deren Führung, Stärke und Ausrüstung an den Herausforderungen künftiger Konflikte orientiert sind und höchsten internationalen Standards entsprechen, die gründlich und an den modernen Einsatzerfordernissen orientiert ausgebildet werden und die eine am Wohl der Truppe orientierte Verwaltung mit deutlich reduzierter Bürokratie vorhalten.«

Re-Militarisierung
Für die politische Rechte ist die Funktion und Aufgabe der Bundeswehr ideologisch aufgeladen. Es geht nicht nur um ein Instrument deutscher Machtpolitik. Eine Armee ist auch Ausdruck von Souveränität und eine Wehrpflichtarmee gilt als Erziehungsinstrument für junge Männer. Militarismus – oder in der eigenen Sprache »Wehrhaftigkeit« – ist ein wichtiges Element von Nationalismus und extrem rechter Ideologie. Die AfD steht deswegen innenpolitisch auch für eine Re-Militarisierung der Gesellschaft und tritt für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ein. Im Bundesparteiprogramm heißt es: »Die Landesverteidigung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Sie betrifft den Kern staatlicher Existenz und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Daher ist der Auftrag der Bundeswehr Verpflichtung für jeden Staatsbürger.« Zur Begründung wird angeführt: »Durch die Rückkehr zur Allgemeinen Wehrpflicht schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass sich die Bevölkerung mit ›ihren Soldaten‹ und ›ihrer Bundeswehr‹ identifiziert, mit Streitkräften, die in der Bevölkerung fest verankert sind, dass sich das Bewusstsein für die wehrhafte Demokratie wiederbelebt, dass nachhaltig Nachwuchs aus allen Gesellschaftsschichten gewonnen wird und damit eine intelligentere Armee möglich wird, dass ein breites Potential an Reservedienstleistenden entsteht.« Zur Militarisierung der Gesellschaft ist auch ein Vorschlag der AfD in Baden-Württemberg zu zählen: »Wir regen an, einen ›Tag des Heimatschutzes‹ einzuführen, an dem Bundeswehr, Feuerwehren, Polizei und THW über ihre Arbeit informieren.« Ebenso heißt es im Landesparteiprogramm: »Jugendoffiziere der Bundeswehr informieren über die Streitkräfte. Das sollen sie weiterhin und ohne Beschränkung an Baden-Württemberger Schulen tun dürfen.« Im Landtagswahlprogramm der AfD in Sachsen-Anhalt werden zudem Soldaten vor »Beleidigungen oder Verunglimpfungen« in Schutz genommen.

Streitfrage NATO
In der AfD gibt es zur NATO eine Minderheiten- und eine Mehrheitsposition. Nationalistischen Motiven entspringt die Ablehnung der NATO-Mitgliedschaft Deutschlands durch wichtige VertreterInnen des ultrarechten Parteiflügels. Dies wird meist von einer demonstrativen Hinwendung zu Russland begleitet. Dieser Teil der AfD will einen Austritt aus der NATO, um so besser deutsche Interessen wahrnehmen zu können. Durch den Austritt von Ex-Parteichef Bernd Lucke wurde diese Position gestärkt. Doch die Mehrheit ist weiterhin für einen Verbleib in dem Militärbündnis, wie es im 2016 verabschiedeten Bundesparteiprogramm ausdrücklich heißt. Abgelehnt werden aber NATO-Interventionen ohne UN-Mandat: »Nato-Einsätze außerhalb des Bündnisbereichs, an der (sic) sich deutsche Streitkräfte beteiligen, sollten grundsätzlich unter einem UN-Mandat stattfinden und nur, wenn deutsche Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden.« Auch für »den Abzug aller auf deutschem Boden stationierten alliierten Truppen und insbesondere ihrer Atomwaffen« setzt sich die AfD ein.

Militärs in der AfD
Der hohe Stellenwert der Militär-Politik in der AfD dürfte auch seine Ursache in den zahlreichen ehemaligen und aktiven Bundeswehr-Angehörigen in der Partei haben. So haben mehrere Landtagsabgeordnete – also herausgehobene Akteure der Partei – eine biografische Verbindung zur Bundeswehr. Beispielsweise wurde der Oberstleutnant der Reserve, Lars-Patrick Berg, aus Heidelberg im März 2016 für die AfD in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt. Uwe Junge ist nicht nur seit August 2015 Landesvorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz und frisch gewählter Landtagsabgeordneter, sondern auch Berufsoffizier bei der Bundeswehr im Rang eines Oberstleutnants. Er diente als Dezernatsleiter im Zentrum Operative Kommunikation der Bundeswehr in Mayen bei Koblenz. Andreas Kalbitz aus Königs Wusterhausen sitzt für die AfD im Landtag von Brandenburg. Er gilt als Gaulands Kronprinz und war 1994 bis 2008 Zeitsoldat bei der Bundeswehr. André Wendt aus Dresden ist Abgeordneter der AfD im sächsischen Landtag, trat 1993 der Bundeswehr bei und war seit 1999 Berufssoldat. Bis heute gehört er dem Bundeswehrverband an. Ein Fraktionskollege von ihm in Dresden ist der ehemalige Zeitsoldat Sebastian Wippel aus Görlitz. In der sächsischen AfD ist er sicherheitspolitischer Sprecher. Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus und Landesvorsitzende der Partei, Georg Pazderski, ist ein ehemaliger Oberst im Generalstabsdienst der Bundeswehr. In der Partei ist er Koordinator für Außen- und Verteidigungspolitik und Vorsitzender des Bundesfachausschusses »Internationale Verantwortung Deutschlands«. Pazderski kann auf eine interessante Karriere im Militär zurückblicken. Er war bis 2010 sicherheitspolitischer Berater des Ständigen Deutschen Vertreters bei der EU in Brüssel, Leiter einer Internationalen Planungs- und Analysegruppe im Hauptquartier eines Regionalkommando-
zentrums der US-Armee und als Abteilungsleiter für Logistik der NATO in Lissabon tätig. Und mit Thorsten Weiß zog auch der ehemalige Zeitsoldat und Offizier einer Panzertruppe der Bundeswehr für die AfD in das Berliner Parlament ein. Auch andere wichtige Parteimitglieder können auf eine Bundeswehr-Vergangenheit zurückblicken. So leitet beispielsweise der Fernsehjournalist und Reserveoffizier Armin-Paul Hampel den AfD-Landesverband Niedersachsen. Der ehemalige CDU-Rechtsaußen und Reserveoffizier Martin Hohmann kandidierte bei den Kommunalwahlen im März 2016 in Hessen als Spitzenkandidat der AfD in Fulda. Der Mitarbeiter des Bundeswehr-Geheimdienstes »Militärischer Abschirmdienst«, Hendrik Rottmann, kandidierte für die AfD als Oberbürgermeister in Köln. Den Rechtspopulisten dürfte zu Gute kommen, dass der Inlandsgeheimdienst »Verfassungsschutz« und der MAD den Bereich »Rechtsextremismus« im Wesentlichen auf Neonazismus verengen.

Mobilmachung von Rechts
Die Militärs in den Reihen der AfD werden auch weiter für die anhaltende militaristische Positionierung der AfD sorgen. Bei der Entwicklung eines militärpolitischen Programms könnte künftig das »Studienzentrum Weikersheim« (SZW) helfen, eine Gründung des »Stahlhelmflügels« der CDU, das sich zunehmend von der Union abkoppelt hat. Das SZW veranstaltete in den letzten Jahren mehrfach »Sicherheitspolitische Seminare« mit Vorträgen von Militärs und Ex-Militärs, die auch von AfD-Mitgliedern besucht wurden. NATO-kritische Töne oder die Ablehnung von militärischen Interventionen in der AfD dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies nur aus nationalistischen Motiven geschieht. Militärische Interventionen, die in ihrer Sicht den Interessen Deutschlands entsprechen, werden kaum abgelehnt werden. Mit der zunehmenden Etablierung der AfD besteht die Gefahr, dass auch ihr militärpolitisches Programm Einfluss erhält. Eine direkte Einflussnahme droht kaum, denn eine direkte Regierungsbeteiligung ist nicht absehbar. Aber ihr indirekter Einfluss durch die Übernahme von Programmpunkten durch andere Parteien ist bereits spürbar. Dieser indirekte Einfluss dürfte nach dem Einzug in den Bundestag im September 2017 weiter steigen.

Vom Autor erschien jüngst die Studie »Die AfD als Partei des (alten) deutschen Militarismus« (www.imi-online.de).