Ein Monat mit der AfD

von Frida Westrick
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Die »Alternative für Deutschland« ist unter den Parteien die unangefochtene Nummer eins in der Social-Media-Präsenz. Fakten? Überflüssig! Was zählt, ist die Emotion. Wie sieht so ein Parteiprofil in den sozialen Netzwerken aus, wie fühlt sich das an? »der rechte rand« hat einen Monat lang, vom 1. Mai bis 1. Juni 2017, die Facebook-Timeline der Partei ausgewertet.

»AfD, politische Partei.
325.225 gefällt das.
Allein in der zahlenmäßigen
Resonanz ist die AfD
einsame Spitze, SPD und CDU
zusammen kommen nicht auf
so viele Facebook-Fans«

 

Von den »Gefällt mir«-Angaben der AfD-Facebookseite stammen 7,4 Prozent aus Länder wie beispielsweise Brasilien, Ägypten, Thailand oder Algerien, was auf Manipulation hindeuten kann. Nichtsdestotrotz spricht Internet-Guru Sascha Lobo von der »ersten echten Internetpartei«. Simone Rafael von der »Amadeu Antonio Stiftung« hingegen meint, die »Alternative für Deutschland« (AfD) sei vielleicht »eine Partei für die Hass-Meinungen im Netz, aber keine Internetpartei«. Auf dem Papier, oder auf dem Bildschirm, macht so viel Zuspruch aber erst einmal Eindruck.
In der Regel werden zwei bis drei Beiträge pro Tag eingestellt, es wird innerhalb einer Stunde geantwortet, die Interaktionsraten sind hoch: Top-Beiträge bekommen Likes im mittleren vierstelligen Bereich, werden tausende Male geteilt und hundertfach kommentiert. Besonders gerne wird mit den sogenannten Sharepics gearbeitet, so vielen, dass man meint, damit müsse jemand in Vollzeit beschäftigt sein. Im Falle der AfD heißt das: provokanter Spruch plus wahlweise markantes thematisches Bild/ Fotomontage beziehungsweise Portrait eines AfD-Politikers plus Logo, fertig. Wer der AfD auf Facebook begegnet, sieht erstmal: Hier passiert etwas, die Partei spricht die Dinge »ungeniert« an und viele Menschen sind hier einer Meinung.

Strategie Gegenöffentlichkeit
Dass dahinter eine Strategie steckt, ist kein Geheimnis: Ein im Februar 2017 geleaktes Strategiepapier (»AfD-Manifest 2017«) benennt das Vorgehen sehr genau. Harte, provokante Slogans seien wichtiger als Differenzierung, Stimmungen sollen beobachtet und aufgenommen, der Finger in die Wunden der »Altparteien« gelegt werden. Die Partei lebe von ihrem Ruf als »Tabubrecherin und Protestpartei«, ein »verstärktes Ausweichen auf Online-Medien« ist erklärtes Ziel zum Aufbau einer »medialen Gegenmacht«. Die AfD will damit ihre Klientel bedienen – zum einen mit Themen, in denen ihr »Kompetenz« zugesprochen wird, beispielsweise Zuwanderung und Asyl, Kriminalität und innere Sicherheit, Rolle des Islam und »Fehlentwicklungen im politischen System Deutschlands«. Zum anderen hat sie Profilierungsthemen definiert, darunter Sozial- und Verteidigungspolitik. Das spiegelt sich auch in der Facebook-Timeline wider. Der erste Erfolgsfaktor der AfD ist, dass sie die sozialen Netzwerke zum Aufbau einer »Gegenöffentlichkeit« nutzt: hier erfähren die geneigten AfD-Fans Dinge, die in der »System«-/ »Lügen«-/ «Lücken«-/ »Pinocchio«-Presse vermeintlich unterrepräsentiert sind. Wobei es nicht unbedingt um »Fake-News«, also eine bewusst platzierte Fehlinformation im klassischen Sinne geht – viele Postings sind mit Links zu Online-Meldungen »belegt« – sondern mehr um die eigene Interpretation von Sachverhalten und die Deutungshoheit über aktuelle Ereignisse inklusive Lösungsvorschlag. Zum Beispiel in einem Posting vom 31. Mai in Bezug auf die Verurteilung eines Rentnerpaares wegen des Sammelns von Pfandflaschen (3.918 Likes / 2.635 Mal geteilt / 415 Kommentare): »Asozialstaat Deutschland: Erst nimmt man ihr die Rente, dann die Würde« über dem Bild einer älteren Frau im Bundeswehrparka, die eine Flasche aus der Mülltonne zieht. Dazu ein kurzer Text inklusive eines Links zum AfD-Wahlprogramm, wo die Position zur Rentenpolitik zu finden ist. Die AfD pampert ihre Facebook-FreundInnen: Sie gibt ihnen die Informationen, die sie interessieren, sagt ihnen, was sie darüber zu denken haben und inszeniert sich selbst als Heilsbringerin gegen die zuvor geschürten Ängste. Ein zweiter Erfolgsfaktor ist die Art der Ansprache: Provokant, unmittelbar und persönlich. Im Sinne der »post truth politics« arbeitet die AfD mit der emotionalen Zuspitzung, die der »gefühlten Wahrheit« einen höheren Stellenwert als Fakten einräumt. Man argumentiere bewusst mit den »Ausreißern« vom Durchschnitt und müsse dabei zuspitzen, um gehört zu werden, erklärte Alexander Gauland. Jörg Meuthen kommentiert beispielsweise am 1. Mai den Mord an einer afghanischen Frau durch einen ebenfalls afghanischen Mann frei nach Peter Scholl-Latour: »Wer Kabul aufnimmt, wird selbst Kabul.« Hintergründe der Tat sind zu dem Zeitpunkt nicht bekannt, das spielt aber auch keine Rolle. Wichtig ist a) den Eindruck zu erwecken, dass die AfD als erste den Fall überhaupt benennt, ihn b) richtig einordnet – Afghanen bringen sich gegenseitig um – und c) noch den einprägsamen Schlüsselsatz für die nächste Stammtischdiskussion liefert.

Häppchenweise Hass und Häme
Bilder sind das wichtigste Stilelement der Kommunikationsstrategie der Partei auf Facebook – zusammen mit eingängigen Statements werden sie häufiger geteilt als reiner Text. Die AfD-Slogans lesen sich, als würde sie jemand mit hochrotem Kopf ins Netz schreien, das Ausrufezeichen ist ein guter Freund des Texters. Rassistische Botschaften müssen dabei nicht explizit formuliert werden, sie können auch über die Montage vermittelt werden. Ein Beispiel vom 25. Mai: »Welterklärer Schäuble überhöht den Islam – Deutsche könnten von Einwanderern ›lernen‹.« Das dahinterliegende Bild zeigt eine Faust, unscharf im Hintergrund eine Frau. Am linken unteren Rand ist eine Illustration hineinmontiert: ein Buch des imaginären »Ali Bin Ramsis« mit dem Titel »Grapschen für Dummies« inklusive Frau im Bikini. Das ist die Art von Humor, der hier anzutreffen ist.
Facebook gilt als günstiges und effektives Mittel der politischen Kommunikation. Früher als andere Parteien kam die AfD auf die Idee, die sozialen Netzwerke zur direkten Ansprache potentieller WählerInnen zu nutzen. Der gemeine besorgte Bürger will nichts mehr, als dass ihm zugehört wird, er kreist dabei bevorzugt um sich und seine Probleme und Ängste. Dafür bietet insbesondere Facebook den perfekten Resonanzraum. Die Nutzer sind nicht nur reine Konsumenten, sondern können auch mitdiskutieren und die Beiträge teilen, wozu sie auch offensiv aufgefordert werden (»+++TEILEN+++TEILEN+++TEILEN«). Die Kommentarspalten sind voll und tragen zur fortwährenden Bestätigung bei: »Die da oben« sind schuld, Merkel muss weg, Sozialschmarotzer klauen unsere Rente, GEZ finanziert Staatspropaganda, armes Deutschland. Das geht immer irgendwie, unabhängig vom Thema des Postings. Willkommen in der Filterblase der ungefilterten Wahrheit.

Testfeld für Wahlkampfthemen
Ein weiterer Vorteil von Facebook im Hinblick auf den Wahlkampf: die thematischen Testballons werden losgelassen und es gibt eine messbare Resonanz. Die Reaktionen auf die Posts geben zumindest einen Hinweis darauf, was gut ankommt und was eher nicht. Gut: »3 Punkte-Plan läuft wieder an: Anstrahlen. Abhaken. Weiter wie immer.« vor dem Brandenburger Tor mit britischer Flagge aus aktuellem Anlass, dem Anschlag in Manchester (8.380 Likes / 5.434 mal geteilt / 857 Kommentare). Weniger gut: »›Neuland Internet‹ – Deutschland bleibt rückständig« (936 Likes / 164 Mal geteilt / 161 Kommentare). Was gut läuft, wird variiert. Am 4.  Mai: »Asylverkehr auf dem Mittelmeer« vor einem Taxischild (3.447 Likes / 1.574 Mal geteilt / 197 Kommentare). Vier Tage später titelt die AfD: »Alarmierende Zahlen aus Italien – ›Retter‹ schleusen täglich 3.000 Migranten ein.« Dreisatz, Schlussfolgerung der AfD: »90.000 Sozialhilfeempfänger monatlich mit dem Ziel Deutschland?« (3.202 Likes / 2.484 Mal geteilt / 490 Kommentare). Der Wahrheitsgehalt der Aussagen ist überschaubar, die rassistische Absicht erkennbar, aber es funktioniert für die Community. Ein Eindruck aus der Kommentarspalte: eigentlich seien es noch mehr, weil die alle dreifach abkassieren, NGOs = kriminelle Schlepper, kotzende Smileys, »Volksverräter« sind schuld, man sollte dies und jenes mit den Migranten tun (Boote anbohren, Chips implantieren, …) – »Wer soll diesen Wahnsinn stoppen außer der AfD?« Am 13. Mai dann das Sharepic »Bei Anruf Abholung im Mittelmeer« über einem Smartphone mit »Mama Merkel Taxiservice« auf dem Display, daneben der Text: »Schlauchboot-Migranten rufen NGOs wie Taxis an« (3.944 Likes / 4.250 Mal geteilt / 372 Kommentare). Im Strategiepapier heißt es passend dazu, die stete Wiederholung sei erfolgreicher als Neues. Also Relevanz durch Redundanz.

Wir gegen die anderen
Die Profilierung funktioniert besonders gut bei gleichzeitiger Abgrenzung zur politischen Konkurrenz. Zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bezieht sich die AfD darauf, dass die CDU mit »ihren« Themen punkten möchte und kommentiert das Foto eines Wahlplakates: »Die CDU in NRW hält die Bürger für völlig verblödet« (4.729 Likes / 2.673 Mal geteilt / 621 Kommentare) – im Gegensatz zur AfD natürlich. Beliebt sind auch Spitzen gegen PolitikerInnen der »Altparteien«, gerne persönlich ausgeteilt von den AfD-SpitzenfunktionärInnen. Georg Pazderski am 2. Mai: »Das Problem der Bundeswehr heißt von der Leyen« (4.083 Likes / 965 Mal geteilt / 237 Kommentare), Alice Weidel am 1. Mai: »Altmaier muss dringend auf die Couch« (3.336 Likes / 386 Kommentare), Frauke Petry meint am 23. Mai: »Martin Schulz und die SPD sind die Pinocchios deutscher Politik.« Jörg Meuthen textet am 20. Mai muntere Alliterationen: »Maas macht missliebige Meinungen mundtot – Frontalangriff des Gesinnungswächters.« Spontan möchte man auch gar nicht wissen, worum es geht – das wird wenn überhaupt, erst später erklärt – die so gesendeten Botschaften lösen beim AfD-Publikum erstmal den »Ach der/die schon wieder, typisch!« -Reflex aus.
Ein weiterer aus der analogen Welt bekannter Mechanismus ist die Inszenierung als Opfer – hier werden Wahlplakate zerstört und Büros angegriffen, da verklagt Alice Weidel den NDR, Frauke Petry bittet die OSZE um Wahlbeobachtung. Ein neues Lieblingsthema scheint das so genannte Netzdurchsetzungsgesetz gegen Hatespeech im Netz zu sein, hier wittert die AfD »Zensur«.
Nach einigen Stunden auf der AfD-Facebookseite ist der Puls schon ganz schön nach oben gegangen – überall lauern Sozialschmarotzer und ausländische Kriminelle, PolitikerInnen, die sich die Taschen voll machen und das Land verraten – Ungerechtigkeit und ständige Bedrohung bestimmen das AfD-Universum. Da freut man sich schon fast, wenn die AfD zwischendurch Frauke Petry und Markus Pretzell zur Geburt ihres Kindes gratuliert, einen schönen Muttertag wünscht oder nur eine Veranstaltung oder ein neues Video bewirbt. Auch wenn die geteilten Beiträge von leicht menschenverachtend über plump bis geschmacklos reichen und durchgängig in einem ätzend-spöttischen Tonfall gehalten sind, ist der Facebook-Auftritt der Bundes-AfD verhältnismäßig moderat gehalten. Björn Höcke beispielsweise findet auf der Seite praktisch nicht statt. Die AfD versteht es, Facebook als Mobilisierungskanal und Vermarktungsplattform für die eigenen Ideen zu nutzen. Es gelingt ihr, die Effekte sozialer Netzwerke auszunutzen, negativen Stimmungen Raum zu geben, sie zu verstärken und so eine Gemeinschaft Gleichgesinnter zu schaffen. Facebook ist das perfekte Mittel zur Profilierung als Protestpartei, trotzdem muss allerdings nicht jedes »Gefällt mir« ein Kreuz auf dem Wahlzettel im September bedeuten.

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