»Das Bellen der Waffen …«

von Ernst Kovahl
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 163 - November 2016

#Waffen

Offen tritt die extreme Rechte gegen Einschränkungen beim privaten Waffenbesitz
ein. AfD und NPD empfehlen die Selbstbewaffnung. Ein »Reichsbürger« erschoss unterdessen einen Polizisten.

Der Mord an einem Polizisten im Bayerischen Georgensgmünd durch einen »Reichsbürger« am 19. Oktober 2016 machte wieder einmal mehr die gefährliche Bewaffnung der extremen Rechten deutlich. Wolfgang P., ein 49-jähriger Jäger, besaß legal 31 Lang- und Kurzwaffen. Aber nachdem der Mann bei Kontrollterminen Behördenvertreter vom Grundstück verwiesen hatte, sprach ihm das zuständige Landratsamt die Zuverlässigkeit zum Waffenbesitz ab und wollte nun die Jagd- und Sportwaffen mit Unterstützung der Polizei einziehen. Der 49-jährige Jäger schoss sofort auf die Beamten, vier wurden verletzt, einer von ihnen starb.

© Archiv @derrechterand

Öffentlichkeitswirksam überboten sich PolitikerInnen und Behörden danach in ihren Forderungen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte: »Unser Ziel ist, allen Reichsbürgern, die legal eine Waffe besitzen, ihre Waffenerlaubnisse zu entziehen. Wer die deutsche Rechtsordnung ablehnt, der bietet keine Gewähr, ordnungsgemäß mit Waffen umzugehen.« Und der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger (SPD), erklärte: »Waffen gehören nicht in die Hände dieser Leute.« Thüringens Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer nutzte die Gunst der Stunde, um eine Ausweitung seiner Befugnisse ins Gespräch zu bringen. Dem Geheimdienst sei es »nicht verborgen geblieben«, dass Teile der extremen Rechten versuchten, über Schützenvereine und Jagdscheine »legal an Waffen zu kommen«. Künftig sollten, so Kramers Vorschlag, Erkenntnisse der Dienste bei der Beantragung von Waffenscheinen einfließen.
Allein im ersten Halbjahr 2016 stieg die Zahl der »Kleinen Waffenscheine« für Schreckschusswaffen und Reizgas um fast 50 Prozent auf etwa 402.000. Das »Forum Waffenrecht« schätzt, es gebe etwa 1,5 Millionen legale WaffenbesitzerInnen in Deutschland. Und die extreme Rechte tritt in der seit den Terror-Anschlägen von 2015 in Paris laufenden Debatte um die Einschränkung des Waffenrechts lautstark als Waffen-Lobby und für die Freiheit des Erwerbs, des Tragens und der Anwendung von Waffen auf. Bei einem Teil der Waffen-Freunde gelingt es ihr auf diese Weise Anschluss zu finden.

Bundesregierung ahnungslos

Die plötzliche Aufregung erstaunt. Regelmäßig werden bei Razzien in der Neonazi-Szene illegale Schusswaffen gefunden und rechte Gewalttaten mit solchen Waffen begangen. Zudem ist schon immer klar, dass die extreme Rechte auch Zugang zu legalen Schusswaffen hat. Recherchen von ARD und SWR brachten zuletzt im März 2016 zu Tage, dass das »Bundesamt für Verfassungsschutz« im Jahr 2014 etwa 400 bekannte »Rechtsextreme« registriert hatte, die legal Waffen besitzen. Wieviele Waffen es jeweils seien, wurde nicht bekannt. Die reale Zahl der legalen WaffenbesitzerInnen in der Szene dürfte noch deutlich darüber liegen. Denn allein die »Reichsbürger« zum Beispiel zählten bisher nur in Einzelfällen zu den von den Geheimdiensten beobachteten »Rechtsextremen«. Die Bundesregierung gibt sich ahnungslos. Als Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag antwortete sie am 10. März 2016, sie habe keinen »tagesaktuellen Gesamtüberblick über waffenrechtliche Erlaubnisse oder Waffenbesitz bei Rechtsextremisten« und eine »lückenlose Bestandsaufnahme« sei nicht möglich. Jedoch stellte das Bundeskriminalamt fest, im Jahr 2014 seien bei 536 politisch rechts motivierten Straftaten legale oder illegale Waffen zum Einsatz gekommen.

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Selbstbewaffnung

»Mit Pfefferspray und Gaspistole: Frauenselbstschutz gegen Merkels Sexmob-Asylanten«: Fett sprang dieser Titel der Wahlkampfzeitung der NPD den LeserInnen ins Auge. Die Neonazi-Partei hat im Sommer 2016 in Mecklenburg-Vorpommern offensiv im Landtagswahlkampf für Selbstbewaffnung geworben. Im Wahlwerbespot wirbt die Partei mit der Angst. Eine blonde Frau geht allein im Dunkeln durch eine Gasse, im Hintergrund verfolgen sie zwei dunkle Gestalten, auf den Pullovern die Aufschrift »Rapefugee«. Die Frau fragt ins Off: »Wer kümmert sich eigentlich um die Sicherheit von uns Frauen? (…) Wer handelt endlich, damit es nicht erst zu Notwehr kommen muss? Wer schützt uns vor den angeblichen Kulturbereicherern?« Dann greift sie in ihre Tasche und zieht eine Waffe, ein Schuss fällt. Am Ende des Videos tritt Udo Pastörs auf, der damalige NPD-Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag, und sagt in väterlichem Ton: »Bei uns können Sie Selbstverteidigungskurse belegen«.
Die Neonazi-Partei empfiehlt auf dem Titel ihrer zehntausendfach verteilten Wahlzeitung den Einsatz von Gas- und Schreckschusspistolen. Sie seien »sehr zu empfehlen«. Und weiter heißt es: »Je mehr Bürger sich auf diese Weise bewaffnen und dies dem Staat durch den Erwerb des Kleinen Waffenscheins auch zur Kenntnis geben, desto eher wird Politikern (…) vielleicht klar, dass es mit dem Personalabbau bei der Polizei nicht so weiter gehen kann. Und dass unser Volk kein wehrloses Opfer ausländischer Verbrecher sein will.«
In den einschlägigen Versand-Shops der Szene gibt es unterdessen fast alles zu kaufen, was das braune Gewalttäter-Herz begehrt. Nur zwei Beispiele: Dutzende Modelle von CS-Gas und Pfefferspray sowie Schlagstöcke bietet das »Deutsche Warenhaus« von Thorsten Heise in Fretterode an, und in Tommy Frencks Online-Shop »Druck18« bekommt man Armbrüste mit Jagdspitzen, Gummiknüppel, Wurfäxte, Deko-Handgranaten, Elektroschocker, Militärkleidung, Stacheldraht, Messer, Macheten, Helme und K.O.-Spray.

Waffen-Lobby NPD und AfD

»Keine Verschärfung des Waffenrechts!«, dafür setzte sich Udo Voigt in einer Anhörung im »Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres« des Europa-Parlaments im Februar 2016 ein. Der deutsche NPD-Abgeordnete tritt vehement gegen eine Direktive der EU-Kommission auf, die den privaten Erwerb und Besitz von scharfen Schusswaffen inklusive von Leucht- und Schreckschusspistolen einschränken soll. Nach den Terroranschlägen in Paris schlug die EU-Kommission im November 2015 eine Gesetzesänderung vor, um den privaten Kauf und Verkauf von Waffen schärfer zu regulieren. In Deutschland treffen die Vorschläge auf den Widerstand von Schützen- und Jagdverbänden sowie von Waffen- und Munitionsherstellern und ihren Lobby-Organisationen. Waffen seien »nicht schlecht oder böse (…), sondern die Menschen welche sie bedienen«, wird Voigt in der April-Ausgabe der NPD-Zeitung »Deutsche Stimme« zitiert. Mit einer weiteren Einschränkung des legalen Waffenbesitzes seien keine Straftaten zu verhindern. Die Verschärfung, so erklärt der frühere NPD-Bundesvorsitzende, würde »nur Jäger, Sportschützen und Sammler« treffen.


Ganz ähnlich argumentiert die »Alternative für Deutschland« (AfD). Die Partei beschloss auf ihrem Bundesparteitag im November 2015 aus Protest gegen die geplanten EU-Regelungen die Resolution »Keine Verschärfung des Waffenrechts unter dem Terrorvorwand«. Darin wirft die Partei der EU vor, »den schrecklichen Terroranschlag in Paris für eine weitere Verschärfung des Waffenrechts politisch auszuschlachten«. Dagegen müsse ein »liberaler Rechtsstaat (…) seinen Bürgern vertrauen. Er muss es nicht nur ertragen können, dass diese Waffen besitzen, sondern muss die Handlungsfreiheit seiner Bürger bewahren und freiheitsbeschränkende Eingriffe minimieren«. In der Regulierung des privaten Waffenbesitzes und -handels sieht die AfD eine »Einschränkung von Bürgerrechten« und einen »weiteren Schritt in die Kriminalisierung unbescholtener Bürger und in den umfassenden Überwachungs- und Bevormundungsstaat«. In der »BILD« forderte die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry am 20. August 2016: »Jeder Gesetzestreue sollte in der Lage sein, sich selbst, seine Familie und seine Freunde zu beschützen.« Eine Verschärfung des Waffenrechts lehne sie ab, da es die »anständigen Bürger treffen« würde, »und nicht diejenigen, die sich Waffen im Darknet beschaffen«. Auch in den Bundesländern agiert die AfD als Waffenlobby. Beim »Landesjägertag« des »Landesjagdverbands Thüringen« sagte die Thüringer AfD-Landtagsabgeordnete Corinna Herold am 16. April 2016, sie halte die EU-Richtlinie für falsch. Und die AfD Brandenburg erkundigte sich im Januar 2016 mit der Anfrage »Waffenbesitz in Brandenburg« bei der Landesregierung nach dem Zusammenhang von Straftaten und Waffenbesitz. Der AfD-Abgeordnete Andreas Galau kommentierte, »dass Legalwaffenbesitzer vollkommen zu Unrecht im Fokus der Sicherheitsdebatte« stünden. Die Neuregelung der EU sei »überflüssig«, da die »Legalwaffenbesitzer« nur »rechtschaffene und ganz normale Bürger« seien. Die »Stigmatisierung dieses Bevölkerungsteils« müsse ein Ende haben.

Vom Spazierstock bis zum Revolver

Die rechts-libertäre Zeitschrift »eigentümlich frei« widmet dem Waffen-Thema in ihrer Ausgabe vom März 2016 einen Schwerpunkt. Auf dem Cover des Blattes war das Foto eines Trommelrevolvers zu sehen, der gerade geladen wird. Darunter: »Gewähr mit Gewehr – Warum privater Waffenbesitz mehr Sicherheit garantiert.« Im Editorial schrieb Chefredakteur und Herausgeber André F. Lichtschlag: »Ein guter Amerikaner würde schon die Frage nicht verstehen: Warum sollten Menschen Waffen tragen dürfen? Na, damit sie sich gegen Verbrecher schützen können natürlich.« Es gehe »um Verteidigung und Abschreckung«, meint der Verleger der »Lichtschlag Medien und Werbung KG« aus Nordrhein-Westfalen. Sicherheit sei eine »ökonomische Überlegung«. Durch die eigene Bewaffnung würden »die voraussichtlichen Kosten für den Verbrecher« erhöht. Dabei beruft er sich auf Überlegungen des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers John R. Lott, der 1989 »das amerikanische Standardwerk der Waffenfreigabe« unter dem Titel »More Guns less Crimes« veröffentlicht hat. Die »Wiederbewaffnung möglichst weiter Teile der Bevölkerung« würde für mehr Sicherheit sorgen, meint der Kommentator des rechten US-Senders »Fox News«. Sein Buch erscheint demnächst erstmals in Deutsch – natürlich bei »Lichtschlag«.

»Junge Freiheit«: Wie im NS?

Auch in der »Jungen Freiheit« war die Verschärfung des Waffenrechts wiederholt Thema. So stellte beispielsweise im September 2013 der Vielschreiber Claus Wolfschlag die Einschränkung des Waffenbesitzes in eine Linie mit staatlichen Einschränkungen, unter anderem dem Einzug von Waffen von Oppositionellen und jüdischer Bevölkerung während des NS und den Versuchen der Alliierten, nach 1945 in Deutschland eine allgemeine Entwaffnung im Privaten zu erreichen. Und im November 2015 kritisierte der Chefredakteur des Jagdmagazins »Wild und Hund«, Heiko Hornung, in der JF die Gesetzesverschärfung der EU: »Wut, Verzweiflung, Angst und Ohnmacht angesichts des IS-Terrors in Paris dürfen nicht dazu führen, unsere Freiheit dem politischem Aktionismus zu opfern.«

»Letztes Biotop für Männer«

Das neonazistische Monatsmagazin »Zuerst!« beklagte im April 2016, die Politik habe völlig zu Unrecht die »deutschen Schützen im Visier«, sie seien zum »Feindbild« geworden. Dabei seien doch die Schützenvereine »die letzten Biotope für Männer, die als solche wahrgenommen werden wollen«, schreibt Autor Andreas Grünberg voller Lob: »Genderfreie Zonen, in denen politisch Unkorrektes dazugehört wie verbissene Wettkämpfe auf dem Stand, wo auf Schützentischen entladene Waffen liegen und dahinter stehende Schützen auf das Kommando des zuständigen Schießleiters (…) lauern, um (…) flugs bereitliegende Magazine und ausgeklappte Trommeln mit (…) fünf Schuss zu füllen.« Im »rauchgeschwängerten« und »bierdunstigen« Schützenkeller säßen Richter, Müllfahrer, Zahnärzte, Arbeitslose und Bürgermeister zusammen – ein »Männeranteil von 100 Prozent«. »Standesunterschiede« gebe es hier nicht – die Idylle der deutschen Volksgemeinschaft – Bier, Waffen, Zigarren und deutsche Männer ohne Klassenunterschiede. »Das Bellen der Waffen unterbricht die lautstarke Runde nicht.« Die vermeintlichen GegnerInnen dieser rechten Idylle werden deutlich markiert: Die »regelungswütige EU-Kommission«, SozialdemokratInnen sowie »Grüne und linke Gutmenschen, die nicht müde werden, auf Bundes- und Landesebene den Niedergang der Schützengilden zu propagieren (…) und überhaupt in Sportschützen ihr Feindbild manifestieren«. Ein paar Ausgaben später, im November 2016, inseriert ein Versandhandel aus Weil am Rhein in dem Magazin ein »Korsisches Hirtenmesser« mit einer Dokumentation über die »Vendetta«, die »einst praktizierte Blutrache«. Eine »rasiermesserscharfe Waffe und männliches Statussymbol«, so wirbt der Händler für den Kauf dieses Messers.