Donald Trump, die »Tea Party« und die »Republikaner«

von Lawrence Rosenthal

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

seite_16-17_sp_trumpteaparty

Die »Tea Party« wurde einen Monat nach Barack Obamas erster Amtseinführung im Februar 2009 ins Leben gerufen. Die Bewegung setzt sich aus Tausenden spontan gebildeter lokaler Gruppen, einer Handvoll landesweiter Zusammenschlüsse und dem bemerkenswerten Rückhalt reicher, weit rechts stehender UnterstützerInnen und Lobbygruppen zusammen. Im politischen Alltagsgeschäft kommt es sowohl bei lokalen und nationalen Angelegenheiten als auch in ideologischen Fragen zu erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen »Tea Party«-Gruppen. Die ideologischen Differenzen entzünden sich daran, ob ‹soziale Fragen› wie Abtreibung oder die Rolle der Religion in der Politik im Vordergrund stehen sollen oder Fragen der politischen Ökonomie, vor allem Schulden und der Wohlfahrtsstaat.

»Tea Party« und »Republikaner« – eine schwierige Beziehung

Ein Blick auf die Entwicklung der »Tea Party« in den vergangenen sieben Jahren verdeutlicht ihr angespanntes Verhältnis zum Establishment der »Republikanischen Partei«. Innerhalb der »Tea Party« überwiegt die Wahrnehmung, dass die republikanischen Eliten während der Wahlkämpfe zwar ihre Ansichten teilten, um sich die Unterstützung der Bewegung zu sichern, aber dass davon nach der Wahl nur wenig umgesetzt wird. In den letzten Jahren haben die »Republikaner« mit überwältigender Unterstützung der »Tea Party« die Kontrolle über den Kongress übernommen, sowohl über den Senat als auch das Repräsentantenhaus. Dennoch hat sich innerhalb der Bewegung das Gefühl ausgebreitet, verraten worden zu sein – weil es die »Republikaner« nicht geschafft haben, Kernforderungen der »Tea Party« umzusetzen, etwa die Gesundheitsreform, von vielen als »Obamacare« bezeichnet, zu verhindern.

ABO
Das Antifa Magazin

alle zwei Monate
nach Hause
oder ins Büro.

Die Verstimmungen zwischen Bewegung und der »Republikaner«-Elite waren während der Präsidentschaftswahlen 2012 und 2016 besonders heftig. Im Jahr 2012 malten die »Tea Party«-Blogs düstere Untergangsszenarien: Eine Wiederwahl von Obama galt als schierer Horror und als die Bestätigung einer ‹marxistischen, muslimischen Tyrannei›. Dieses Bauchgefühl war zum Glaubenssatz der Bewegung geworden. Einen ‹echten Konservativen› ins Rennen zu schicken, hätte ihrer Ansicht nach den Weg ins Weiße Haus geebnet. Bislang, so drückte es ein Blogger aus, handelte das »Republican National Comitee« jedoch »wie das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei«, um Mitt Romney zu nominieren, den Favoriten des Partei-Establishments.

Strategien der Einflussnahme

Die »Tea Party« hat im Ringen um politische Einflussnahme zwei Strate-gien entwickelt. Eine davon ist »primarying« – dabei setzt sie bei den parteiinternen Vorwahlen auf KandidatInnen am rechten Rand, um einen RINO (»Republican in name only«/»Republikaner nur dem Namen nach«) als Anwärter für das Präsidentenamt zu verdrängen. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen für das Jahr 2016 gelang der Bewegung ein historischer Triumph, als sie bereits zwei Jahre zuvor die Nummer zwei der »Republikaner« im Repräsentantenhaus, Eric Cantor aus Virginia, ausbootete. Die zweite Strategie ist »obstructionism«, eine Blockade- und Verschleppungstaktik, die nicht davor zurückschreckt, den Kongress lahmzulegen. Das gelang 2013 bei der zeitweisen Stilllegung der US-Bundesregierung. Im September 2015 führte diese Taktik zum Sturz des bis dahin mächtigsten republikanischen Politikers in Washington, des Sprechers des Repräsentantenhauses, John Boehner.

Diese Angriffe auf die republikanischen Eliten verdeutlichen, wie entschlossen sich die »Tea Party« auf die Wahlen 2016 vorbereitete. Getrieben wird die Bewegung von der Angst, dass ihnen wieder ein Vertreter des Establishments wie Jeb Bush als Präsidentschaftskandidat präsentiert würde. Tatsächlich steckte 2016 das Verhältnis zwischen »Tea Party« und dem republikanischen Establishment tiefer in der Sackgasse als je zuvor. Auf der Tagesordnung stand ein Thema, bei dem es unüberbrückbare Differenzen gab: Die Einwanderung.

Streitthemen Einwanderung und Gesundheitsreform

Immigration ist ein Thema, bei dem es die »Tea Party« zu einer einheitlichen Position geschafft hat. Ein weiterer Aspekt war der Widerstand gegen Obamas Gesundheitsreform, mit dem es die »Tea Party« 2009 und 2010 zu landesweiter Bedeutung brachte. Im Januar 2010 hatte der von der Bewegung unterstützte Scott Brown mit dem Versprechen, »Obamacare« entgegenzutreten, einen Senatssitz im sehr liberalen Massachusetts gewonnen. In ihrem Widerstand gegen die Gesundheitsreform genoss die Bewegung die volle Unterstützung des republikanischen Establishment, das unnachgiebigen Widerstand gegen Obamas Politik versprochen hatte – mit dem Ziel, dessen Präsidentschaft auf eine Legislaturperiode zu begrenzen.

Während der Schuldenkrisen 2011 und 2013 sahen die Dinge ganz anders aus: 2011 weigerten sich »Tea Party«-Abgeordnete, im Kongress die Obergrenze für die Staatsschulden zu erhöhen. Der US-Regierung drohte die Zahlungsunfähigkeit. Weil dem republikanischen Establishment die katastrophalen wirtschaftlichen Folgen eines Zahlungsausfalls der USA durchaus bewusst waren, opponierte es gegen die »Tea Party«. 2013 versuchte die Bewegung eine Rücknahme von »Obamacare« zu erzwingen, legte den Staatshaushalt auf Eis und die Regierung für fast zwei Wochen lahm. Das republikanische Establishment erkannte, dass der Ausfall staatlicher Leistungen, wie etwa Renten- und Sozialleistungen, in der amerikanischen Öffentlichkeit zutiefst unpopulär war und fürchtete die negativen politischen Konsequenzen.

Doch verglichen mit der ausweglosen Situation in dem Streit über die Einwanderung waren diese Differenzen harmlos. Die Positionierung zur Einwanderungspolitik war 2016 der bestimmende Faktor im Rennen um die republikanische Nominierung für das Präsidentenamt. Der Einsatz war für beide Lager hoch. Für das Establishment stand die Zukunft der »Republikanischen Partei« auf dem Spiel, sollte es nicht gelingen, eine gesetzliche Lösung für die Frage der illegalen Immigration zu entwickeln. Für die »Tea Party« bedeutete jede Gesetzeslösung für die geschätzten elf Millionen Menschen, die ohne legalen Status in den USA leben, eine »Amnestie«. Für sie war nicht weniger als die Existenz der Vereinigten Staaten gefährdet, zumindest in der Form, wie sie sich das Land vorstellten.

Die »Republikaner« und der demographische Wandel

Das republikanische Establishment hat verstanden, dass über der Partei ein demographisches Damoklesschwert schwebt. Mit einem hispanischen Bevölkerungsanteil von mittlerweile 17 Prozent in den USA bewegen sich die »Republikaner« selbst Richtung einer Minderheit. Das, was der »Republikanischen Partei« in Kalifornien geschehen war, könnte sich auch auf nationaler Ebene wiederholen: Der Bundesstaat, aus dem Politiker wie Richard Nixon und Ronald Reagan stammten, steht bei Wahlen mittlerweile zuverlässig auf Seiten der »Demokraten«. Eine Ausnahme war 1994 ein Referendum (Proposition 187), das »illegale AusländerInnen« von staatlichen Dienstleistungen ausschloss.

Mitch McConnell, Führer der »Republikaner« im Senat, äußerte sich zu Beginn der Präsidentschaft Obamas im Januar 2009 selbstkritisch: »Wir sind alle besorgt über die Tatsache, dass die sehr Reichen und die sehr Armen, die am besten und am schlechtesten Ausgebildeten sowie die meisten WählerInnen aus den Minderheitengruppen uns mehr oder weniger keine Aufmerksamkeit mehr schenken. Wir sollten uns darüber im klaren sein, dass die »Republikanische Partei« als Resultat dieser Entwicklung als regionale Partei enden könnte.«

Sechs Jahre später, im Vorfeld der republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen für 2016, stand die Kontroverse immer noch auf der Tagesordnung. So forderte Lindsey Graham, Senatorin aus North Carolina und kurzzeitig Kandidatin für die republikanische Nominierung, die es allerdings nicht schaffte, es mit der »Tea Party« aufzunehmen: »Wenn wir das Einwanderungsrecht nicht auf eine vernünftige, praktische Art reformieren, wird es egal sein, wer für uns 2016 antreten wird. Als Partei bewegen wir uns in einer demographischen Todesspirale. Und die einzige Art, wie wir mit der hispanischen Community wieder ins Reine kommen, ist aus meiner Sicht eine umfassende Einwanderungsreform.«

Weiße Identitäten in der Krise

Für die AnhängerInnen der »Tea Party« sowie einen erheblichen Teil der weißen Arbeiterklasse und amerikanischer NativistInnen ist »illegale Immigration« die Erklärung für die sie unmittelbar betreffenden Fehlfunktionen in der Gesellschaft: Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit und schwindende Lebensperspektiven. Dazu kommt das tiefgreifende Gefühl, dass ihnen das Land entgleitet und dass sie zunehmend enteignet würden. Ihre privilegierte weiße Identität, die sie immer für selbstverständlich gehalten haben – immerhin sind sie die »echten Amerikaner«, wie Sarah Palin es während ihrer Wahlkampagne 2008 zur Vizepräsidentin vertrat –, wird von Minderheiten in Frage gestellt, die zum Teil sowohl kulturell als auch politisch – Obama! – in Führungspositionen angekommen sind. »2016 ist Amnestie das bestimmende Thema«, so ein prominenter »Tea Party«-Blogger, »es gibt keinen Mittelweg.«

Für die rechte Kommentatorin Ann Coulter steht fest: »In dieser Wahl geht es nicht darum, wer die meisten Punkte auf einer Liste konservativer Positionen abhaken kann, oder darum, wer die beste oder netteste Person ist. Diese Wahl entscheidet darüber, ob das Konzept Amerika bestehen bleibt, eine existenzielle Wahl, wie es keine andere je gegeben hat. Wer das nicht versteht, ist Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.«

Donald Trump und die »Tea Party«

Es ist nahezu unmöglich, die elektrisierende Wirkung Donald Trumps auf dieses Milieu überzubewerten. Trump hatte sich auf seine Kandidatur vorbereitet, indem er extrem rechte Radiosendungen hörte, in denen Stunde für Stunde der »Tea Party«-Sprech verbreitet wird. In seiner Antrittsrede diffamierte er Mexikaner in den USA als Kriminelle und Vergewaltiger. Er versprach eine 2.000 Meilen lange Mauer an der Grenze nach Mexiko zu bauen; als besondere Demütigung sollte Mexiko für die Kosten der Mauer aufkommen. Solche Angriffe stellen seitdem die inhaltlichen Klammern seiner Kampagne dar. Im Kampf gegen »politische Korrektheit« und mit der für ihn charakteristischen Vulgarität – in dieser Form seit 1945 ein Novum in der amerikanischen Politik – griff Trump das republikanische Establishment genauso wie die »Demokraten« an. Nach den Terroranschlägen in Paris und in San Bernardino (Kalifornien) erweiterte er seine Angriffe auch auf Muslime, denen er das Betreten der USA verbieten möchte. In der extremen Rechten und in der »Tea Party« sind viele der Ansicht, Trump spreche nur aus, »was alle von uns denken«. Was von außen wie eine Abfolge politischer Entgleisungen erscheint, ist für die »Tea Party« schlicht und ergreifend die Wahrheit. Trumps Kandidatur entzweit die »Tea Party« und es ist zweifelhaft, ob sie zu ihrer alten Form zurückfinden kann. 

Donald Trump vs. Ted Cruz

Die Bewegung teilt sich in die rechtspopulistischen VertreterInnen der ‹sozialen Frage› und die bedingungslosen VerfechterInnen des freien Markts. Im späteren Verlauf der Vorwahlen war Trumps größter verbleibender Konkurrent der texanische Senator Ted Cruz. Der Rechtsaußen Cruz war 2012 als »Tea Party«-Vertreter in den Senat gewählt worden. Seine UnterstützerInnen lieferten sich mit Trumps AnhängerInnen einen heftigen verbalen Schlagabtausch. So argumentierten die BefürworterInnen von Cruz auf einer Website mit dessen Treue zu konservativen Prinzipien: »Echte Konservative haben eine Botschaft für die Trump-Kampagne. Wir sind in erster Linie Konservative und dann Republikaner. Wir sind Republikaner, denn die Partei ist vorgeblich die konservative Partei.« Aufgebracht schrieben die Cruz-UnterstützerInnen: »Trumps verwirrte Aussagen werfen bei jeder vernünftigen Person die Frage auf, was er tun würde, wenn er die Macht der Bundesregierung hinter sich hätte. Wenn Sie den Donald beleidigen, wird dann die IRS (US-Steuerbehörde) an Ihrer Tür klopfen? Es gibt etwas, was Trumps Unterstützer verstehen müssen: Er nutzt Sie aus (…) Er vermarktet Ihre Empörung und nicht die Ideen der Freiheit, der Unabhängigkeit oder des Konservatismus.«

Das Pro-Trump-Lager repräsentiert den populistischen Flügel der »Tea Party«, in seinen Attacken steht es den Fans von Cruz in nichts nach: »Cruz (ist ein) Politiker (…). Ein glattzüngiger Betrüger (…). Donald Trump wird derjenige sein, der dieses Land zurückbringt (…). Wenn wir sehen, wie tief die Spaltung geht, sollte das uns allen Angst machen (…). Dass Donald vorhat, die »Republikanische Partei« aufzubauen, sagt einiges aus (…). WIR BRAUCHEN DONALD TRUMP (…). Er wird unser Patton, Eisenhower, usw. sein, er wird stark sein und er wird halten, was er versprochen hat (…) Illegale, die Mauer, China, Mexiko, die Wirtschaft, Jobs, ISIS und unser Land vor allem Bösen und der Scharia schützen (…). Wenn Sie Cruz wählen (…) werden Sie alles billigen, was Obama in seiner Amtszeit getan hat (…) Sie bekommen Politik wie gehabt (…)«.

seite_19_sp_ende

Bruch mit konservativen Prinzipien

Die Art und Weise, in der Trumps Kandidatur die »Tea Party« gespalten hat, spiegelt sich im größeren Maßstab in der »Republikanischen Partei« wider. Das republikanische Establishment quält – wie auch die Cruz-BefürworterInnen in der »Tea Party« – vor allem Trumps erhebliche Abweichungen von den Eckpfeilern der modernen konservativen Ideologie: Die Grundsätze, die mehr oder weniger die offizielle Leitlinie der »Republikanischen Partei« seit dem Aufstieg von Ronald Reagan im Jahr 1980 darstellen, nämlich freie Märkte, Freihandel und eine aggressive neokonservative Außenpolitik.

Trump teilt die konservative Geringschätzung des Wohlfahrtsstaats nicht; er steht sogar einer allgemeinen Gesundheitsversorgung aufgeschlossen gegenüber. Unverfroren befürwortet er Grundstücksenteignungen durch die Regierung. Seine Prozessierfreudigkeit in wirtschaftlichen und politischen Belangen konterkariert die lang gehegte Abneigung etablierter »Republikaner« gegenüber StrafverteidigerInnen. Auch wenn er sich außenpolitisch für einen kompromisslosen Einsatz gegen den »Islamischen Staat« stark macht – das beinhaltet Folter und die Verfolgung der Familien von TerroristInnen – äußert er sich verächtlich über den von Neokonservativen vorangetriebenen Einmarsch in den Irak. Auch brach er ein Tabu, als er George W. Bush dafür kritisierte, die Angriffe vom 11. September 2001 in seiner Amtszeit zugelassen zu haben.

Annäherung an Europas Rechte

Bei den Vorwahlen auf dem Parteitag in Cleveland wurde Donald Trump am 20. Juli als republikanischer Präsidentschaftskandidat nominiert. Eine »Republikanische Partei« trumpscher Prägung ähnelt weniger der von der Reagan-Zeit geprägten Partei der letzten 35 Jahren als den einwanderungsfeindlichen Parteien der extremen Rechten und des Rechtspopulismus in Europa, die zum Teil an Regierungen beteiligt sind, wie es in Ungarn und Polen der Fall ist. Diese Parteien haben rassistische Ressentiments genutzt, um sich als Opposition gegen »die da oben« zu gerieren. Die »Lega Nord« in Italien, der »Front National« in Frankreich, die »UK Independence Party« in Großbritannien oder die »Partij voor de Frijheid« in den Niederlanden haben beispielsweise nie die Idee eines freien Marktes vertreten, die bisher die Grundfeste republikanischer Identität und Ideologie gewesen war – das ‹sine qua non› des amerikanischen Konservatismus.

Sollte also Trumps »Republikanische Partei« allen Widrigkeiten trotzen und die Wahl gewinnen, wird sie zukünftig das neue Gesicht der »Republikaner« sein. Verlieren Trump und die »Republikaner« und werden vor allem ein großer Teil der weniger relevanten KandidatInnen abgehängt, könnte der Partei eine innere Zerreißprobe bevorstehen, wie sie die amerikanische Politik seit der Krise über die Abschaffung der Sklaverei, die vor 160 Jahre zur Gründung der »Republikanischen Partei« und dem amerikanischen Bürgerkrieg geführt hat, nicht mehr gesehen hat.

Dr. Lawrence Rosenthal ist Vorsitzender und Leiter des »Berkeley Center for Right-Wing Studies« der Universität Berkeley/Kalifornien. Übersetzung durch »der rechte rand«.