Antifaschismus durchsetzen

von Ernst Kovahl
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 212 - Januar | Februar 2025

antifa Magazin der rechte rand
#AfDVerbotJetzt Kampagne

Sie sei klar für ein AfD-Verbot, sagte die Bundestagsabgeordnete der Grünen Katrin Göring-Eckardt, nachdem Ende Dezember 2024 das Online-Magazin Correctiv über ein Treffen von AfD-Politiker*innen mit Neonazis in der Schweiz berichtet hatte. Die Partei agiere »offen aggressiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik«. Gemeinsam mit 112 weiteren Abgeordneten aus den demokratischen Fraktionen des Bundestags hatte sie einen Antrag eingebracht, um ein Verbot der rechtsradikalen Partei voranzubringen. Ende Januar 2025 soll dieser nun im Bundestag diskutiert werden. In der letzten Sitzung des Parlaments vor der vorgezogenen Neuwahl am 23. Februar 2025 könnte der fraktionsübergreifende Antrag von 113 Abgeordneten noch auf die Tagesordnung kommen. Treibende Kräfte der Initiative waren unter anderem Marco Wanderwitz (CDU) und Martina Renner (Die Linke). Ob es in dieser Legislaturperiode des Parlaments aber noch zu einer Abstimmung kommen wird, ist offen – auch deshalb, weil bisher keine Mehrheit der Abgeordneten Zustimmung für ein Verbot signalisiert hat.

Neuer Schwung
Mit dem Antrag soll erreicht werden, dass der Bundestag beim Bundesverfassungsgericht die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD beantragt. Aus den Erfahrungen mit dem ersten gescheiterten NPD-Verbotsverfahren haben die Antragsteller*innen den Schluss gezogen, die Beantragung der Verbotsprüfung erst dann einzuleiten, wenn die Geheimdienste von Bund und Ländern die völlige »Staatsfreiheit« der AfD erklärt haben, also den Abzug ihrer Spitzel in der Partei.


Mit der jüngsten Debatte um ein Treffen von Rechtsradikalen in der Schweiz unter Beteiligung der AfD ist wieder Bewegung in die Debatte gekommen, die zuvor stockte. Im Sommer 2023 war die Diskussion um ein Verbot richtig in Fahrt gekommen, auch durch einen Appell des Rechtsanwalts Alexander Hoffmann in dieser Zeitschrift (s. drr Nr. 203). Nachdem Correctiv dann Anfang 2024 ein »Geheimtreffen« von Rechtsradikalen in Potsdam enthüllt hatte, gingen bundesweit Hunderttausende gegen Rechts auf die Straßen mit der Forderung nach einem Verbot der AfD. Stück für Stück sprangen nun auch Politiker*innen fast aller Parteien der Forderung bei, die bis dahin – sicherlich auch den negativen Erfahrungen mit dem angestrebten NPD-Verbot geschuldet – zurückhaltend vorgetragen worden war. Allerdings hatten die Expert*innen für die Themen Antifaschismus und Rechtsradikalismus vieler Parteien – beispielsweise bei der Linken Martina Renner, Kerstin Köditz und Katharina König-Preuß oder von den Grünen Michael Lühmann und Helge Limburg – schon lange ein Verbot gefordert.

Prüfung prüfen
Mit ihrer Positionierung hebt sich Göring-Eckardt von einem großen Teil ihrer Bundestagsfraktion ab, der Anfang Dezember 2024 – konkurrierend zur fraktionsübergreifenden Verbotsinitiative – einen Antrag mit dem Titel »Feststellung der Verfassungswidrigkeit der ‹Alternative für Deutschland›« vorgelegt hatte. Das Instrument des Parteiverbots sei »ein grundsätzliches legitimes Instrument«, schreiben die 43 Abgeordneten darin einleitend – eine Banalität, ist das Instrument des Verbots doch in Artikel 21 des Grundgesetzes ausdrücklich verankert. Es bestünden »erhebliche Anzeichen dafür«, dass die AfD auf eine Beeinträchtigung der »freiheitlichen demokratischen Grundordnung« abziele und somit »die Voraussetzungen eines Verbots durch das Bundesverfassungsgericht erfüllt« sein könnten. Mit ihrem Antrag wollen sie nun den Bundestag auffordern, »Gutachter zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrags auf Verbot« zu bestimmen und sie bitten die Bundesregierung und »alle ihr und den ihr nachgeordneten Behörden zur Verfügung stehenden Materialien, die für die (…) Prüfung sachdienlich sein könnten, den beauftragten Gutachtern zur Verfügung zu stellen«. Je nach Ergebnis der Prüfung könne dann das Bundesparlament über die Einleitung eines Verbotsverfahrens entscheiden. Mit diesem Antrag würde das Verbotsverfahren aber lediglich verzögert. Denn auch der fraktionsübergreifende Antrag will eine Prüfung des Verbots einleiten – allerdings gleich bei der zuständigen Stelle, dem Bundesverfassungsgericht. Auf den zeitraubenden Umweg einer Prüfung der Prüfung verzichten sie. Der Antrag aus der Grünen-Fraktion signalisiert Mutlosigkeit: Statt selbst – wie es der Antrag der 113 Abgeordneten tut – zu begründen, warum ein Verbot sachlich notwendig und juristisch richtig sei, wollen sich die 43 Abgeordneten hinter scheinbar neutraler Expertise von Innenministerien, Geheimdiensten und Jurist*innen verstecken.

Landesverbände verbieten?
Einen weiteren Strang in der Verbotsdebatte schlug unter anderem die Online-Plattform Campact vor. Die vom Geheimdienst als »gesichert rechtsextrem« eingestuften Landesverbände der Partei in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen könnten einzeln verboten werden. Die Landesparteien würden aufgelöst, auch Ersatzorganisationen dürften dort nicht gegründet werden, Mandate in den Parlamenten gingen verloren, Geld und Besitz der Verbände würden eingezogen und bei kommenden Wahlen könnte die Partei in den Ländern nicht mehr antreten. Ein solcher Weg würde die Partei tatsächlich regional und in Gänze schwächen, gerade weil starke Landesverbände betroffen wären. Aufgrund der gesicherten Einschätzung des Geheimdienstes zu einzelnen Landesverbänden scheint dieser Weg auch juristisch sicherer. Aber auch hier bleiben Fragezeichen: Statt vorab vorauszusetzen, dass die Partei nicht in Gänze verbotswürdig sei, könnte man auch hier auf den formalen Weg setzen. Denn neben der Entscheidung, eine Partei in Gänze zu verbieten, kann das Bundesverfassungsgericht selbst »die Feststellung auf einen rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teil einer Partei« beschränken, schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Gutachten. Zudem kann und muss das politische Handeln einzelner Landesverbände der gesamten AfD zugerechnet werden, die das unterstützt oder toleriert. Alternativ zu einem Verbot wird in der öffentlichen Debatte auch vorgeschlagen, einen Entzug der Parteienfinanzierung anzustreben. Auch hier wäre der Weg mit Blick auf Aufwand, Dauer und Voraussetzungen ähnlich dem Verbotsverfahren und somit nicht einfacher, wobei auch hier das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungswidrigkeit entscheidet.

Initiativen für ein Verbot
Inzwischen unterstützen zahlreiche Initiativen ein Verbot und sammeln weiterhin Unterschriften. Über 870.000 Menschen haben bereits den Aufruf »Prüft ein AfD-Verbot!« an den Bundesrat und den Bundestag unterzeichnet. Parallel dazu läuft seit Sommer 2024 die Kampagne »AfD-Verbot jetzt!«, unterstützt von etwa 50 Organisationen aus dem progressiven Spektrum der Gesellschaft, von Wohlfahrts- und Sozialverbänden über Umweltinitiativen bis zu Jugendverbänden, VVN-BdA und dem Chaos Computer Club. Veranstaltungen, Aufrufe, Kundgebungen und direkte Anschreiben an Abgeordnete werden bundesweit und vor Ort durch Lokalgruppen organisiert. Das bunte Kreuz der Initiative ist inzwischen an vielen Orten im Netz und in der analogen Welt zu sehen.

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Wie weiter?
Die vorgezogene Neuwahl hat der interfraktionellen Initiative für ein AfD-Verbot vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es ist in der laufenden Legislaturperiode nun nicht mehr genügend Zeit für Debatten, die Suche nach Mehrheiten und eine Abstimmung – zumindest solange die Ablehnung des Verbots in den meisten Parteien groß bleibt. Zugleich stärkt der neue Termin auch jene Stimmen, die vor dem Schritt warnen. Ihr Argument: Eine Verbotsdebatte im Wahlkampf könnte die AfD stärken. Doch welcher Zeitpunkt wäre der richtige? Irgendwo ist immer Wahlkampf und das Verbotsverfahren wird sich über Jahre ziehen und somit zu jedem Zeitpunkt vor oder zwischen Wahlen liegen. Das Grundgesetz kennt zudem nicht das Argument eines schadlosen Zeitpunkts. Es kennt nur die Frage, ob Parteien »nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden«. Sind sie verfassungswidrig, können sie verboten werden. Und auch die praktischen Erfahrungen mit der AfD – zum Beispiel ihr putschistisches Verhalten im Thüringer Landtag bei der Wahl des Parlamentspräsidenten im Herbst 2024 –, ihre offen faschistische bis in Teilen nationalsozialistische Agitation, ihre Verknüpfung mit Strukturen von rechtem Terror und »Reichsbürgern« bis hin zu ihrer klar antidemokratischen und rassistischen Programmatik und Praxis können das Verbot klar begründen. Und der offene Flirt von Teilen der CDU, vor allem in Ostdeutschland, mit der rechtsradikalen Partei zur Beschaffung von Mehrheiten gegen fortschrittliche Politik und die Wahl in kommunale Verwaltungsposten machen die manifeste Gefahr klar, dass eine Beteiligung an der Macht nicht mehr eine ferne Option, sondern bereits heute in Ansätzen Realität ist. Solange niemand sie stoppt, wird sich die Partei Schritt für Schritt weiter in der Gesellschaft, der Politik und den Institutionen verankern sowie ihren Einfluss und ihre Macht ausbauen. Die Praxis des Sonneberger AfD-Landrats und das Agieren der AfD-Fraktionen in Landtagen und dem Bundestag zeigen, dass sie durch Beteiligung an den Abläufen und Regeln der Institutionen nicht »entzaubert« wird, wie es immer wieder Konservative und Kommentator*innen behaupten. Denn die AfD tut, was sie sagt. Sie setzt rechtsradikale Politik um, sobald sie es kann – mal im Kleinen in der Kommune, mal im Landesparlament und eines Tages dann auch in einer Regierung. Sie wird sich nicht zurückhalten und sie wird sich auch nicht durch aufgeschriebene Regeln aufhalten lassen. Antifaschistische und demokratische Spielregeln müssen gegen sie durchgesetzt werden, solange es noch geht. Also: Lieber heute als morgen.

Netzfund. Das, was @janboehm.bsky.social hier zum #AfDVerbotJetzt sagt. Bei der Frage für Demokrat*innen, wen kann ich wählen zur #Bundestagswahl2025, sollte aus antifaschistischer Sicht helfen: Wer ist für ein #AfDVerbotsverfahren im #Bundestag?Geht antifaschistisch wählen!fb.watch/xlV_7LIZWR/

#AntifaMagazin der rechte rand (@derrechterand.bsky.social) 2025-01-26T13:01:04.887Z