Vorbild Trump – Alice Weidels neue Verbündete
von Erhard Korn
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 212 - Januar | Februar 2025
#Führerin

»Wie phantastisch wäre es, wenn auch in Deutschland innerhalb von kürzester Zeit so viele vernünftige Entscheidungen getroffen würden?«, schwärmte die AfD am 21. Januar 2025 auf Facebook angesichts der Flut von Regierungsdekreten, mit denen sich Donald Trump unmittelbar nach seiner Vereidigung »als mächtigste Person der Welt«, so die New York Times, in Szene setzte. Elon Musk hatte ihn gar als »zurückgekehrten König« angekündigt. Nun setzte sich der erneut gewählte Präsident wie ein Alleinherrscher über die Gesetzgebungskompetenzen des Parlaments hinweg und mobilisierte mit der Erklärung des Notstands die Armee gegen Migrant*innen an der Südgrenze der USA. Mit einem Filzstift begnadigte er 1.500 Putschist*innen, die vor vier Jahren den Kongress gestürmt hatten. Über tausend Regierungsbeamt*innen sollen aussortiert werden, die »nicht mit seiner Vision übereinstimmten, Amerika wieder groß zu machen« (Die Zeit, 23. Januar 2023). Die ersten waren nicht zufällig Beamt*innen des Justizministeriums.
»So konsequent wird auch die AfD handeln!«, hob die Rechtspartei hervor, deren Vorsitzender Tino Chrupalla Trumps Unterzeichnungsshow von den Rängen der »Capital One Arena« beklatschen durfte. Für die AfD ist Trumps Weg hin zu einem autoritären Staat über eine Präsidialherrschaft offenbar ebenso Vorbild wie für Meloni, die Pläne zu einem entsprechenden Umbau der italienischen Verfassung vorgelegt hat.
Schon Armin Mohler, einer der Gründungsväter der »Neuen Rechten«, hatte das gaullistische Präsidialsystem als »milde Art von Neofaschismus« propagiert. Er sah es als Chance für eine Neufundierung der »nationalen Opposition«, der er unter Rückgriff auf die Ideen der »konservativen Revolution« eine von der Schoah nicht belastete Tradition verschaffen wollte. »Die Attraktivität des Gaullismus lag für Mohler unter anderem im Wunsch nach nationaler Größe als oberste politische Maxime und darüber hinaus in der Mythologisierung und Glorifizierung einer politischen Führungsfigur«, so Cenk Akdoganbulut in seiner Mohler-Monografie. Mohler hatte in den 1970er-Jahren vergeblich versucht, führende Köpfe der konservativen Rechten, allen voran Franz Josef Strauß (CSU), für ein solches Konzept zu gewinnen – doch an einer Abkehr von der Westbindung, die Mohlers Gaullismus-Idee enthielt, hatte Strauß kein Interesse.
Mohlers Schüler wie Dieter Stein, Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek allerdings konnten eine Generation später über Organe wie die »Junge Freiheit« und das »Institut für Staatspolitik« ideologische Leerstellen der wurzellosen AfD füllen und das Denken von Führungsfiguren unterfüttern. Deutschland galt in den Veröffentlichungen aus Kubitscheks Verlag als ein aus seiner Bußfertigkeit zu befreiendes »Protektorat der westlichen Vormacht«. Die Ablehnung der Unterordnung unter die geistige, kulturelle und politische Vorherrschaft der USA nach 1945 blieb – bei allen Überschneidungen – das Scheidewasser der Neuen Rechten zum Konservatismus. Sie beschnitt, neben irrlichternden Abgrenzungen zum Nationalsozialismus, jegliche Option auf Regierungsbeteiligung auf Bundesebene.
ABO
Das Antifa Magazin
alle zwei Monate
nach Hause
oder ins Büro.
Nach der Auflösung der Sowjetunion hoffte man auf Russland, so Kubitschek, in dem man »geopolitisches Recht und kulturelles Widerstandspotential« vermutete, aber enttäuscht worden sei: »Es kam von dort bisher kein Angebot.«
Aus Trumps Amerika hingegen kam via Musk nun so »ein klares Wort«, ein »Angebot«, sogar eine Einladung zur Vereidigung. Die AfD wird es annehmen in der Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung. Vorbild ist »die Schwesterpartei« FPÖ in Österreich, die von Alice Weidel im Wahlkampf unterstützt worden war. Herbert Kickl hatte die AfD schon vor Musk als »die einzige Alternative für Deutschland« bezeichnet. Nach Weidels Vorstellung werde man wie die FPÖ »durch die Mitte durchgehen, gradlinig, und nicht herumeiern, bis wir in der Regierungsverantwortung sind«.
Schwer zu verdauen für die völkischen Nationalist*innen bleibt die Hinwendung Weidels zum Amerika des »Libertären, Kapitalistischen, ortlos Machbaren«, der »populär-ordinären Kulturhoheit des Hegemons«, mit der die Rechte bisher ja nicht nur »fremdelte«, wie Kubitschek verniedlicht.
Angesichts der Chance der Entdämonisierung müsse die »Sorge über die transatlantische Anbindung der AfD« zurücktreten, so der Höcke-Vertraute Götz Kubitschek am 13. Januar 2025 auf »sezession.de«. Als herausragendes Ereignis des AfD-Parteitags erscheine ihm die Verneigung Björn Höckes vor Alice Weidel. Sie gelte nun, dank der Hilfe von Elon Musk, als unangefochtene Führerin der Partei, nachdem sie sich »mit ihrer harten, kämpferischen Rede und den in ihr enthaltenen Signalwörtern explizit zum Höcke-Teil der Partei herübergeneigt« habe. »Remigration« heißt dieses Signalwort, dessen Popularisierung sich die Teilnehmenden des Potsdamer Treffens Ende 2023 zum Ziel gesetzt und damit nach Bekanntwerden der Zusammenkunft eine riesige Protestbewegung provoziert hatten.
Weidels Plauderei mit Musk auf »X« habe sie zu einem Wahlkampfmotor gemacht, so der rechte »Vordenker«, und es wäre fahrlässig, ihr in die Parade zu fahren und den Motor ins Stottern zu bringen. Ja, inhaltsschwach, geradezu schief habe sie argumentiert. Gemeint ist Weidels tatsächlich schräger Versuch, Adolf Hitler, »diesen sozialistisch-kommunistischen Typ«, als das Gegenteil von »rechts und konservativ« der Linken unterzuschieben.
Doch wichtig sei jetzt allein, dass Musks »lässige Vorstöße von außen«, also etwa sein Beitrag im Springer-Flaggschiff »Welt«, mit der Botschaft, nur die AfD könne Deutschland retten, eine Entdämonisierung und Entlastung der AfD bewirkt hätten. Diese seien in ihrer Bedeutung und Dimension noch nicht begriffen worden. Elon Musks unternehmerisches Renommee sei der Eisbrecher, »der in den (westdeutschen!) Konzernzentralen und Wirtschaftskreisen Bejahungen zur AfD erstmals sagbar werden lässt«.
Auffallend sei tatsächlich, so das Handelsblatt am 12. Januar 2025, der signifikante Anstieg der Zustimmung zu Weidel nach dem Gespräch. Bei Kompetenzzuschreibungen zu Steuerentlastungen für Unternehmen belegt sie nun den zweiten Platz nach Friedrich Merz. Vom »sozialem Patriotismus« Höckes wird bei der von Weidel skizzierten libertären Kettensägenökonomie allerdings wenig bleiben.
Kubitscheks Einschätzung zeigt: Die nationale Rechte hofft auf ihre eigentlichen Auftraggeber. Sie will zu ihrer Aufgabe zurückfinden, das Privateigentum auch dann abzusichern, wenn Ökonomie und soziale Demokratie stottern. Das war es ja, weshalb Hitler gerufen wurde, der sich dann aber doch zum Schrecken der Welt aufblähte und »ein Trümmerfeld hinterließ« (Höcke), von dem sich Weidel, auf Nachfrage von Musk pflichtschuldigst – wenn auch missglückt – distanzieren wollte. Prompt bescheinigte ihr Musk, »die Darstellung der AfD als rechtsextrem sei eindeutig falsch, wenn man bedenke, dass Alice Weidel eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka habe«. Dagegen sei die AfD, so Weidel, »die einzige Beschützerin jüdischer Menschen in Deutschland«, während der »Antisemitismus in den Reihen der Linken Wurzeln geschlagen« habe, die dazu neigten, Israel zu kritisieren.
Nun braucht es ein klares Wort, ein Angebot der AfD – an Musk, an Donald Trump. Insbesondere bezüglich Trumps kürzlich wiederholter Forderung, die Rüstungsausgaben der NATO-Länder auf fünf Prozent des Bruttosozialprodukts zu erhöhen, was ohne Sozialabbau nicht gehen wird. »Yes, an AfD-led government will significantly increase the defense budget, but we will also use the money more wisely.« Mehr Geld für die Bundeswehr, aber für eine mit mehr militärischer Durchschlagskraft, versprach die Vorsitzende der »Friedenspartei« am 6. Januar 2025 dem rechten Magazin “The American Conservative«. Erfreut zeigte sich Weidel von der Richtung, die der amerikanische Präsident für die NATO-Re-Definition vorgibt: Mehr Eigenverantwortung heißt eben auch mehr Spielraum für nationale Politik. Ein starkes Deutschland als Herz Europas formuliert sie als Programm – das ist, man muss es nicht übersetzten, »Germany first« in der EU, auch militärisch. Deutschland müsse wieder in der Lage sein, »to carry out major military operations independently«. Man wird Björn Höcke daher kaum Inkonsequenz vorwerfen können, wenn er am Rande des Parteitags der »Deutschen Welle« ins Mikro bekundet, die Entwicklung eigener Atomwaffen sei eine Frage, »die diskutiert werden muss. Langfristig brauchen wir in Europa eine Möglichkeit, ja«.
Bleibt die Frage, wer einmal über die »effektiveren« Waffen des starken und unabhängigen Deutschlands verfügen wird.