Der Kampf geht weiter – und wird existenziell
von Fabian Virchow
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024
#USA
Nach dem umfassenden Wahlsieg Donald Trumps – eine deutliche Mehrheit im Electoral College, Mehrheiten der Republikanischen Partei im Senat und im Abgeordnetenhaus sowie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (People’s Vote) – geht der ehemalige und zukünftige Präsident nun rasch daran, für die Regierungsämter Personal zu benennen. Die bisher bekannt gewordenen Nominierungen stehen in klarer Übereinstimmung mit den vom Gespann Trump-Vance immer wieder formulierten Zielen. Einige Beispiele:
Linda McMahon, als Wrestling-Unternehmerin zu einem Milliarden-Vermögen gekommen, soll Bildungsministerin werden; sie hatte zuvor bereits einmal erfolglos für den US-Senat kandidiert und Trump bei seinen Wahlkämpfen bereits mit etwa 90 Millionen US-Dollar unterstützt. Ihre Qualifikation: ein Jahr lang Mitglied eines Schulausschusses. Aber Trump will das Bildungsministerium ja ohnehin abschaffen.
Mit Andrew Puzder ist der langjährige Geschäftsführer der »CKE Restaurants« als Arbeitsminister im Gespräch. Ihm geht es wie Trump darum, Maßnahmen rückgängig zu machen, die ihm als wirtschaftsfeindlich gelten, zum Beispiel die Ausweitung der Überstundenvergütung, die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialfaktoren bei Investitionen in die Altersvorsorge sowie das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung für Landarbeiter*innen mit Saisonvisa.
Auch Elon Musk fährt eine Kampagne gegen das »National Labor Relations Board«, die einzige Bundesbehörde, die Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen entscheidet.
Auf das Ministerium für Wohnungsbau und Stadtentwicklung macht sich der Milliardär Bill Pulte Hoffnung; in dieser Position soll laut Trump die Obdachlosigkeit beseitigt werden, indem es Aufenthaltsverbote gibt und die Betroffenen in »Zeltlagern« konzentriert und isoliert werden sollen.
Matthew Gaetz, der kurzzeitig als designierter Justizminister gehandelt wurde, hatte zuvor die Putschist*innen vom 6. Januar 2021 verteidigt, ein Bundesgesetz gegen Menschenhandel abgelehnt und massive Gewalt gegen Antifaschist*innen gefordert. Der entschiedene Abtreibungsgegner ist einer der Hardliner der Republikanischen Partei. Nach Gaetzs Rückzieher hat Trump seine Anwältin Pam Bondi nominiert. Die ehemalige Staatsanwältin hatte Trump im Amtsenthebungsverfahren verteidigt.
Der zukünftige Energieminister, der Milliardär Chris Wright, leugnet den Klimawandel und wird aktiv die fossilen Energien fördern. Die Ansätze der Biden-Regierung, die globale Erwärmung zu begrenzen, verglich er mit dem Sowjet-Kommunismus.
»Fox-News«-Moderator Pete Hegseth – bis auf eine erfolglose Bewerbung für einen Sitz im US-Senat für Minnesota ohne politische Erfahrung und ohne umfassende Kommandoerfahrung als Militär – soll das Verteidigungsministerium leiten. Den Einsatz von Frauen in Kampfverbänden lehnt er ab.
Als Innenminister ist Doug Burgum vorgesehen, der als Gouverneur von North Dakota ein nahezu vollständiges Verbot von Abtreibungen durchgesetzt hat, rassismuskritische Inhalte aus den Schulen verbannte und Einheiten der Nationalgarde nach Texas schickte. Er wird Trumps Vorhaben der Massendeportationen aktiv betreiben.
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Zum Vorsitzenden der Aufsichtsbehörde für Telekommunikation FCC will Trump Brendan Carr machen. Die Behörde vergibt nicht nur Lizenzen für Radio- und TV-Sender und Trump hat angekündigt, unliebsamen Sendern die Lizenz zu entziehen – Carr soll zudem dafür sorgen, dass problematische Inhalte auf digitalen Plattformen nicht mehr moderiert werden. Carr zufolge gehe es darum, »das Zensurkartell zu zerschlagen und die Rechte der freien Meinungsäußerung wiederherzustellen«.
Während die Loyalität zu Trump und der unbedingte Wille zur Umsetzung eines Programms der »White Supremacy«, der »Male Supremacy«, der materiellen Umverteilung von unten nach oben sowie der fortgesetzten Ausbeutung und Zerstörung der Natur die wesentlichen Auswahlkriterien gewesen sein dürften, gibt es hinsichtlich der fachlichen Kompetenz bei den meisten dieser Personalien starke Zweifel. Dies könnte einer breiteren Öffentlichkeit spätestens bei den verfassungsrechtlich vorgesehenen Bestätigungen im US-Senat klar werden. Dort ist es üblich, dass insbesondere die Opposition kritische Fragen nach Kompetenz, Charakter und Gesetzestreue stellt. Eine Ausnahmeregelung würde es Trump jedoch erlauben, den Senat nicht einzubeziehen und seine Kandidat*innen quasi durchzuwinken. Dieses Verfahren bedarf jedoch der Zustimmung der republikanischen Mehrheit; finden sich vier ihrer Mitglieder im Senat, die am traditionellen Verfahren festhalten wollen, dann scheidet diese Option für Trump aus. Ob es diesen Willen zur Verteidigung des Prinzips der Gewaltenteilung, einer fundamentalen Säule von Demokratien, noch gibt, ist jedoch fraglich.
Unter den Anhänger*innen Trumps findet die Personalauswahl große Zustimmung; sie werden als Quereinsteiger*innen gesehen, die das korrupte System in Washington aufmischen würden. Robert F. Kennedy Jr. – als Impfgegner für die Position des Gesundheitsministers vorgesehen – wird als Kreuzritter für neue Lösungen gefeiert. Demgegenüber gilt der designierte Außenminister Marco Rubio vielen als zu wenig Anti-Establishment.
Übernimmt Trump den District of Columbia?
Neben seiner Macht bei der Vergabe von Ministerposten hat Trump in Bezug auf die lokale Politik in Washington, D.C. weitgehende Befugnisse. In der Hauptstadt haben bei der Präsidentschaftswahl lediglich 6,5 Prozent für Trump gestimmt. Dieser hat im Wahlkampf bereits mit der Übernahme des Distrikts durch die Bundesbehörden gedroht. Er hatte die Stadt immer wieder als Hort der Kriminalität bezeichnet. Jeder Präsident der Vereinigten Staaten hat enorme Macht, wenn es um D.C. geht, weil die Stadt keinem Bundesstaat ist angehört. Der Präsident kann darum die Polizeibehörde und viele der Befugnisse der Bürgermeisterin und des Stadtrats von D.C. übernehmen. Trump könnte entweder einen fiskalischen oder einen kriminellen Notstand ausrufen und dann eine fünfköpfige Behörde ernennen, die die Stadt regieren würde. Dies würde auch die laufenden Geschäfte der Regierung von Washington betreffen. Unter diesen Umständen hätten die Bürgermeisterin und der Stadtrat von D.C. nur noch sehr wenig Macht.
Der Präsident könnte sich sogar auf den Insurrection Act berufen, den er in seiner ersten Amtszeit in Erwägung zog, um Proteste auf den Straßen von D.C. niederzuschlagen. Trump hat die Befugnis, das Metropolitan Police Department von D.C. zu übernehmen, die Nationalgarde abzuordnen und militärische und bundesstaatliche Strafverfolgungsbehörden wie die U.S. Park Police zu aktivieren. Die Verantwortlichen in Washington, D.C. sind zudem besorgt, dass die Republikaner die Gesetze in Washington ändern könnten, da sie die Kontrolle über das Repräsentantenhaus und den Senat haben, einschließlich der Gesetze über Einwanderung, Abtreibung und ärztlich assistierten Suizid. Bereits das Drehbuch des Project 2025 hatte sich spezifisch mit der Stadt befasst und vorgeschlagen, die Beschäftigung mit Rassismus in Schule zu verbieten. Auch der Abzug einiger Bundesbehörden würde für die Stadt negative Auswirkungen haben. Für Trump ist die Stadt quasi ein Hort des ihm verhassten Liberalismus. Insofern wird er diesen nicht unbeachtet lassen wollen.
Gegen die Politik der Angst
Die Aussage Trumps, dass sich wahre Macht in der Fähigkeit zeige, Angst zu erzeugen, ist ein weiteres Anzeichen dafür, wie Trump und seine zukünftige Administration in den kommenden vier Jahren die Regierungsmacht und die ihm mittels des Präsidentenamtes zur Verfügung stehenden Gewaltmittel einsetzen wollen. Da ist es wenig verwunderlich, wenn in vielen gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen, die sich für soziale Emanzipation und Gerechtigkeit, umfassende Geltung der Bürger*innen- und Menschenrechte sowie gegen Diskriminierung und strukturellen Rassismus einsetzen, große Besorgnis herrscht. Überall wird jedoch hervorgehoben, dass die Fortsetzung, ja Intensivierung solcher Aktivitäten nun wichtiger denn je sei.
Das Southern Poverty Law Center (SPLC), die wohl bekannteste gemeinnützige US-Organisation gegen rechtsradikale Gruppen, Hate Crimes und Rassismus, hatte vor der Wahl noch eine umfassende Recherche und Analyse über die zahlreichen Gruppen und Einzelpersonen veröffentlicht, die behauptet haben, erneut werde eine große Wahlfälschung zum Nachteil Trumps vorbereitet. Diese Erzählung war zentrales und in verschiedenen Variationen wiederholtes Thema der Trump-Propagandamaschine seit 2020. Das SPLC verkündete nach der Wahl: »Nun müssen wir – mehr als jemals zuvor – zusammenarbeiten, um jene Werte zu schützen, die eine faire und inklusive Zukunft für uns alle sichern.« Weil – wie bei vielen anderen zivilgesellschaftlichen Verbänden und Einrichtungen – die Projekte und Kampagnen des SPLC an Spenden hängen, wird auch dazu aufgerufen.
Die American Civil Liberties Union (ACLU) ist eine der ältesten Nichtregierungsorganisationen in den USA, die seit 1920 – meist juristisch – für eine umfassende Beachtung und Durchsetzung der Bürger*innenrechte gegen den Staat eintritt. Dabei geht es vor allem um das Recht auf Meinungsfreiheit, den Schutz der Privatsphäre, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, die Trennung von Kirche und Staat sowie die Gleichberechtigung von Homosexuellen. Ständiges Anliegen sind auch die Todesstrafe und Polizeibrutalität. Bereits kurz nach der Wahl schaltete die ACLU eine ganzseitige Anzeige in einer großen Tageszeitung. Ihr Direktor, Anthony D. Romero, konstatierte, dass der Sieg Trumps die Umsetzung lange angekündigter Politiken bedeute: das Auseinanderreißen von migrantischen Familien, gesundheitliche Schädigung vieler Frauen durch die Verweigerung reproduktiver Rechte, Entrechtung von Transgender-Personen und ein schärferes Vorgehen gegen die politische Opposition und Protestierende. Man wisse, dass Verzweiflung und Resignation keine Strategie sein können. Sls ACLU werde man die Angst in Handeln überführen. Gemeinsam sei man stark genug, die grundlegenden demokratischen Rechte und Freiheiten zu verteidigen. Entsprechend betonte Romero, dass man in über 430 Fällen juristisch gegen die erste Trump-Administration vorgegangen sei: »Wir haben einen Plan, um zurückzuschlagen – und erneut zu gewinnen.« Whistleblower aus der zukünftigen Trump-Regierung werde die ACLU ebenso juristisch unterstützen wie auch gegen die Diskriminierung von LGBTQI-Menschen sowie die geplanten Massendeportationen vorgehen.
Black Lives Matter, 2013 von drei Schwarzen Frauen gegründet, erklärte nach dem Wahlergebnis, dass vor allem Schwarze, Indigene, Einwander*innen, Arme und Unterklassenangehörige von der zukünftigen Politik Trumps angegriffen werden. Die Mehrheit der Wähler*innen habe die Stimme in vollem Bewusstsein der rassistischen und sexistischen Positionen Trumps abgegeben. Nun erwarte man, dass die zweite Regierungsperiode Trumps deutlich aggressiver werde – angesichts dieser Situation gehe es darum, die Hoffnung am Leben zu erhalten. Black Liberation und die Auslöschung der »White Supremacy« blieben das Ziel. Ein Zitat von Assata Shakur, einem früheren Mitglied der Black Liberation Army, unterstreicht den ungebrochenen Kampfeswillen.
Antifaschistische Gruppen rechnen damit, zum Ziel umfassender Repressions- und Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Sie kündigen ebenfalls an, weiterhin aktiv gegen rechte Organisierung und Aktivitäten aufzutreten, sehen aber auch die Notwendigkeit, die Selbstschutzstrukturen zu verstärken, da die extreme Rechte in all ihren Varianten sich durch den Trump-Wahlsieg stark ermutigt fühlt. Auch Organisationen wie Planned Parenthood (PP), die sich seit Jahrzehnten für reproduktive und sexuelle Gesundheit einsetzen und für viele Frauen eine wichtige Anlaufstelle für Schwangerschaftsabbrüche sind, haben sich nach dem Wahltag öffentlich geäußert. In einer Videobotschaft hat die Vorsitzende von PP sehr nachdrücklich betont, dass man niemals aufhören werde, für das Recht zu kämpfen, dass die Entscheidung zum Abbruch ausschließlich bei der Frau liege. Die National Organization for Women (NOW) ist mit etwa 500.000 Mitstreiter*innen die größte liberale feministische Vereinigung in den USA. In einer Erklärung am Tag nach der Wahl hieß es, dass Trump gewonnen habe, weil er den Teil der Wähler*innenschaft angesprochen habe, dem Rassismus und Misogynie wichtiger als Demokratie sei. Aktuell sei ein Drang zum Rückzug zwar verständlich, aber es gelte nun innezuhalten, zu analysieren, zu trauern und Strategien zu entwickeln, wie die Strukturen der Ungleichheit dauerhaft beseitigt werden können. Trotz der schwierigen Lage sei man nicht besiegt und werde nun die Anstrengungen verdoppeln. Zugleich ruft NOW die Mitglieder des Kongresses auf, gegen einen Gesetzentwurf zu stimmen, mit denen Organisationen die Steuervergünstigung entzogen werden kann. NOW befürchtet, dass dieses Gesetz ein Ansatzpunkt für Trumps Rachefeldzug werden wird. Die Organisator*innen des Women’s March rufen inzwischen unter dem Motto »Our Bodies. Our Future« zu großen Demonstrationen am 18. Januar 2025 in Washington, D.C. und andernorts auf.