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Redaktion
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 210 - September | Oktober 2024
Liebe Leser*innen,
»Es ist dem Neofaschismus in einem qualitativ neuen Ausmaß gelungen, Massenstimmungen für sich zu organisieren. (…) Dieses Potenzial ist mobilisierungsfähig in mehrfacher Hinsicht. Als Gewaltreserve gegen Linke und Minderheiten. Als Wählerreservoir. Als gesellschaftlicher Stimmungserzeuger.« Dies schrieben 1989 die Initiator*innen von »der rechte rand« in der ersten Ausgabe des Magazins. Es war die Zeit des damaligen Aufstiegs extrem rechter Parteien wie »Deutsche Volksunion« (DVU) oder »Die Republikaner« (REP). Nach dem Einzug der REP in das Berliner Abgeordnetenhaus im Januar 1989 demonstrierten mehr als 10.000 Menschen gegen die Partei. Fünf Monate später zog sie ins Europäische Parlament ein und war nach 1992 für neun Jahre im Landtag von Baden-Württemberg vertreten. Die DVU erhielt 1987 bei der Landtagswahl in Bremen 3,4 Prozent und vier Jahre später 6,2 Prozent der Stimmen, in Schleswig-Holstein wurde sie bei der Landtagswahl 1992 drittstärkste Partei. Antifaschist*innen schlugen Alarm. Die damaligen Ergebnisse scheinen lächerlich angesichts der aktuellen AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, die demokratische Strukturen, Minderheiten und Aktive massiv bedrohen. Und seit einigen Jahren lässt sich verstärkt beobachten, dass aus den menschenverachtenden Worten immer häufiger Taten werden. Diejenigen, deren Teilnahme an den Protesten nach Veröffentlichung der Correctiv-Recherche als »ermutigendes Zeichen« gelobt wurde, müssen erfahren, dass das auch von politischen Parteien viel beschworene »Nie wieder ist jetzt« wohl nicht so ernst gemeint war. Von dem Demokratiefördergesetz, das demokratische Projekte und Initiativen langfristig fördern soll, ist seit dem Entwurf aus dem Jahr 2022 nichts mehr zu hören. Und auch die Prüfung eines AfD-Verbots lässt auf sich warten. Dabei belegen die aktuellen Wahlergebnisse die Gefahr, die von der Partei ausgeht. Anders als beim zweiten NPD-Verbotsverfahren, als das Bundesverfassungsgericht die NPD als zu schwach einschätzte, um ihre Ziele umzusetzen. Stattdessen wird wieder einmal die Migrationspolitik verschärft, wird die Abschottung Deutschlands forciert. Die AfD braucht nicht mitzuregieren, sie gibt schon seit zehn Jahren den Ton in den Debatten an. In ihnen beteiligen sich Parteien rege am Überbietungswettbewerb und bespielen rechte Themen nur noch mehr. Derweil erhält die AfD wie in Thüringen Zugriff auf reale Machtressourcen und wird mit ihren neu erhaltenen Möglichkeiten den parlamentarischen Betrieb blockieren und ihn vorführen. Das Entsetzen über die Wahlergebnisse und ihre Folgen sollte aber nicht den Blick auf die solidarischen Netzwerke und Strukturen verstellen, die sich in den drei Bundesländern vor den Wahlen gebildet haben. Sie und ihre Aktiven müssen gestärkt und unterstützt werden. Die AfD wird durch die aktuellen Wahlen in ihren Vorbereitungen auf die Bundestagswahl im Herbst 2025 gestärkt. Dies sollten wir im Blick behalten und gemeinsam den Aufstieg der Faschist*innen stoppen. Es gibt viel zu tun – machen wir weiter!
Eure Redaktion