»Papst auf Abwegen«

von Ernst Kovahl
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 170 - Januar 2018

Die extreme Rechte attackiert die katholische Kirche und den Papst. Vor
allem die Flüchtlingspolitik war Auslöser für Kritik und Hetze – aber auch soziale Forderungen werden abgelehnt. Beispiele aus der NPD, der »Alternative für Deutschland« und der neu-rechten Zeitung »Junge Freiheit«.

Magazin der rechte rand Ausgabe 170

»Der Vatikan als Teil der Migrations-Lobby«
schreibt die NPD-Zeitung »Deutsche Stimme«
© Archiv »der rechte rand«

»Papst auf Abwegen«, titelte die »Deutsche Stimme« (DS) im Oktober 2017. Der Aufmacher der NPD-Zeitung war ein Artikel des Parteivorstandsmitglieds Sascha A. Roßmüller über Papst Franziskus und die katholische Kirche. Der Vatikan sei »Teil der Migrations-Lobby«, hieß es. Dabei sei »Gastfreundschaft« nur »ein temporär begrenztes Entgegenkommen«, kritisierte Neonazi Roßmüller die Empfehlung von »Willkommenskultur« für Geflüchtete durch Franziskus. Er beklagt, dass das Kirchenoberhaupt sich nicht dafür interessiere, dass die von Einwanderung »direkt betroffenen autochthonen Völker überhaupt keine Einwanderung wünschen«. Es sei sogar »befremdlich«, dass der Papst angesichts islamistischer Anschläge in Europa Einwanderung begrüße oder zur Bekämpfung des Schlepperwesens Wege zur »legalen Auswanderung« fordere. Reichlich bemüht wirkt der Versuch der NPD, eine stringente Argumentation gegen den Kurs der Kirche aufzubauen, denn im Kern geht es um banalen Rassismus. Doch Roßmüller versucht seinen Rassismus hinter formalen Argumenten zu tarnen, wenn er zum Beispiel »Grenz- und vor allem Aufenthaltsverstöße« kritisiert oder bemängelt, der Papst ziehe »persönliche Sicherheit« der »nationalen Sicherheit« vor. Der Papst gebe, so die NPD, »leichtfertig Anreize zur Völkerwanderung« und sorge somit dafür, dass Europa nicht mehr lange ein »christliches Abendland« bleibe. Den Vorstellungen des katholischen Kirchenoberhauptes stellt Roßmüller die orthodoxe Kirche gegenüber. Hier gehörten »Nationalstolz, traditionelles Familienbild oder Ablehnung von Homosexualität« eng mit dem Glauben zusammen. Osteuropas Staaten, die orthodox geprägt seien, leisteten »entschieden mehr Widerstand gegen die Islamisierung des Abendlandes« als Westeuropa, lobte Roßmüller.

AfD: Hetze gegen Erfurter Bischoff
»Hängt dem Pfaffen seine Eier an die Gloriosa«, brüllte ein Demonstrant beim Aufmarsch der »Alternative für Deutschland« (AfD) auf dem Erfurter Domplatz Anfang 2016. Die »Gloriosa«, das ist die Glocke ganz oben im hohen Turm des Doms. Und der »Pfaffe«, das ist Bischof Ulrich Neymeyr. Er hatte entschieden, dass die Beleuchtung des Doms immer dann ausgeschaltet werde, wenn die AfD ihre abendlichen Kundgebungen auf dem Platz vor seiner Kirche abhielt. Der Erfurter Dom blieb 2015 und 2016 über Monate dunkel, wenn die AfD aufmarschierte. Dafür wurde er von der Rechtspartei und den TeilnehmerInnen der Aufmärsche angefeindet. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Thüringer Landtag, Wiebke Muhsal, schrieb in einer Pressemitteilung, sie sei »nicht nur wegen meines Glaubens in die Kirche eingetreten, sondern auch weil sie gegen den Zeitgeist für ihre Werte stand. (…) Heute muss ich mich fragen, ob die Kirche mich, meinen Mann und meine drei Kinder, die in einer katholischen Familie aufwachsen, nicht mehr willkommen heißt, wenn Bischoff Neymeyr den Dom verdunkelt, wenn unbescholtene Bürger friedlich protestieren, wie sie das auch schon vor 25 Jahren gemacht haben«. Aus der Menge auf dem Domplatz schrie es »Komm her, du Sau«, wenn wieder einmal ein Kundgebungsredner den Namen des Bischofs nannte. Dabei hatte Neymeyr zeitweise sogar auf den Dialog mit der AfD gesetzt. Doch selbst das ersparte ihm nicht den offenen Hass von Rechtsaußen auf den Kundgebungen, in Emails und den sozialen Netzwerken. Denn er stellte sich in zentralen Fragen gegen die Rechten, wie er dem »Deutschlandfunk« sagte: »Es ist eine Mahnung für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe, dass von den Menschen, die zu uns gekommen sind, so geredet wird, dass deutlich wird: Das sind Menschen! Und dass sie auch entsprechend behandelt werden und dass so über sie gesprochen wird, dass sie nicht nur als ein einziges Problem, eine große Welle, Woge und Masse gesehen werden.« Den Hass auf Neymeyr von Rechtsaußen steigert noch, dass er die Religionsfreiheit einer islamischen Gemeinde, die in Erfurt eine Moschee errichten will, gegen rassistische Hetze verteidigte. Um ihren kritischen Umgang mit der AfD zu fundieren, beauftragten die Bischöfe von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen das »Institut für Christliche Sozialwissenschaften« der Universität Münster sowie das »Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft« in München mit einer Studie zum Vergleich des Parteiprogramms mit katholischen Vorstellungen. Das im Sommer 2017 präsentierte Ergebnis war deutlich: »Bei nahezu allen Themen (…) zeigen sich tiefgreifende Differenzen zwischen der Programmatik der Partei ‹Alternative für Deutschland› und der Sozialverkündigung der katholischen Kirche«, unter anderem in Fragen von Religionsfreiheit, der katholischen Soziallehre, Demokratie und »gesellschaftlichem Pluralismus«.

»Junge Freiheit«: Schwindende Zustimmung
Nachdem im März 2013 der neue Papst gewählt worden war, stand ihm die neu-rechte Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) anfänglich aufgeschlossen gegenüber. Der katholische Publizist und Hochschullehrer Wolfgang Ockenfels schrieb: »Papst Franziskus überrascht durch den einfachen, spontanen, schnörkellosen Stil, in dem er die alte Botschaft des Christentums neu belebt. Und auf liebenswürdige Weise radikalisiert« (JF 13/2013). Offenbar brachte Franziskus die Debatte um seine Rolle während der rechten argentinischen Militärjunta im neu-rechten Milieu Sympathie ein: »Aber was kümmert es schon den Papst, als Reaktionär zu gelten, wenn er die katholische Soziallehre realisiert?« Doch im Mai 2015 wurde die Kritik von rechts lauter. Der katholische und reaktionäre Schriftsteller Martin Mosebach warf ihm in einem Interview mit dem Magazin »Der Spiegel« eine Anpassung an den Zeitgeist vor (22/2015). Doch die JF verteidigte ihn noch. Der Dauerautor des Blattes, ehemaliger Redakteur des »Deutschlandfunks« und »Opus Dei«-Mann, Jürgen Liminski, schrieb, Franziskus habe zwar »einen anderen Stil«, vertrete »aber keine anderen Inhalte« als die traditionelle Kirche (JF 24/2015). Der Aufschwung des Katholizismus, den der neue Papst auslöste, schien hier erste Bedenken von rechts noch zu überlagern. Doch im Juni 2017 hatte sich der Wind in der Redaktion der JF gedreht. Widmeten sich bis dato gesetzte und mit dem rechtskatholischen Milieu fest verwobene Autoren dem Thema, durfte nun ein bis dahin nicht in Erscheinung getretener junger Autor und Rechtsanwalt Franziskus die Leviten lesen. Christoph-Maximilian Zeitler wütete in seinen »Anmerkungen zur gesinnungsethischen Radikalität der Kirchen« (JF 27/2017) fast im gleichen Tonfall wie später die NPD. Die »Geistlichkeit« sei »auf Abwegen«, befand der Autor der JF, später nutzte die neonazistische »Deutsche Stimme« dasselbe Vokabular. Auch die Bebilderungen der Artikel unterschieden sich in der Botschaft kaum. Die NPD zeigte ein montiertes Bild mit Franziskus im weißen Gewand, der mit offenen Armen eine Gruppe dunkler, kaum erkennbarer Menschen vor einer dramatischen Feuerwand in Empfang nimmt. Die JF zeigte den Papst »mit eingewanderten Afrikanern am Rande einer Generalaudienz«, wie die Bildunterschrift erklärte.

Kirche auf Linkskurs?
Der JF-Autor Zeitler kritisiert, dass »Vertreter der katholischen Kirche (…) politische Äußerungen tätigen, die mit dem Glauben an sich bestenfalls nur am Rande zu tun haben«. Das habe es früher »ausschließlich« in der Evangelischen Kirche gegeben, meint er. Sie verwechsle »Politik und Religion« und werde so zu einer »Partei«, »die sich überwiegend im linken politischen Spektrum bewegt«. Und er glaubt: »Die katholische Kirche ist diesem Trend in der Vergangenheit aus gutem Grunde nicht gefolgt.« Dass er damit schon in der Sache falsch liegt, ist das Eine. Auch die katholische Kirche hatte sich immer politisch geäußert. Doch Zeitler meint vor allem das Andere: Für ihn sind »politische Äußerungen« nur jene, die er als links ablehnt. Gegen konservative oder rechte Positionierungen durch die Kirche, zum Beispiel zum »Schutz des ungeborenen Lebens oder der Stärkung des familienrechtlichen Instituts der Ehe«, hat er nichts einzuwenden. Unter Franziskus habe »sich der Wind (…) offenbar gedreht«, fürchtet Zeitler und reiht in seinem JF-Aufsatz rechten Satzbaustein an Satzbaustein. Franziskus gebe »einem kollektivistisch ausgerichteten Wirtschaftssystem den Vorzug (…), ja er liebäugelt sogar mit einer Abschaffung des Privateigentums«, kritisiert er. Mit Empörung fragt der Jurist einer Berliner Bank: »Waren die Erfahrungen, die die Welt mit Sozialismus und Kommunismus machen mußte, etwa doch noch nicht schrecklich genug? Warum spricht der Papst hier nicht über die Erfolge der sozialen Marktwirtschaft?« Zudem solle die Kirche gerade in Deutschland den Unternehmen dankbar sein, denn die Kirchensteuer werde angeblich »von der Wirtschaft erarbeitet«. Zeitler meint sogar, dass die Kirchen in Fragen von gesellschaftlicher Umverteilung versuche, »die Linkspartei politisch zu überholen«.

»Gefährliches Terrain«
Doch es sind vor allem die Flüchtlingspolitik des Papstes und die klare Kante der katholischen Kirche gegen die Positionen der AfD, die Zeitler wütend machen. Die Kirche begebe sich »auf gefährliches Terrain«, warnt er: »So soll auch die Wahl der AfD nach aktueller deutsch-katholischer Auffassung mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar, ja sogar sündhaft sein.« Ihm sei »schleierhaft, warum die Kirche plötzlich ihre Neutralität verläßt«. Zudem sei es doch »gerade die AfD, die sich als einzige Partei neben der CSU klar für eine ‹Willkommenskultur› bei Neu- und Ungeborenen ausspricht, die den Erhalt von Ehe und Familie und die Zurückdrängung der Gender-Ideologie in ihre politischen Überzeugungen aufnimmt«, bricht der Jurist eine Lanze für die Rechtspartei.

»Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt…«
Gegenüber dem Islam und islamistischem Terror gebe es in der Kirche offenbar eine »falsche Rücksichtnahme« sowie »oberflächliche Beschwichtigung und Verharmlosung«, meint der JF-Autor. Und sie lege mit ihrer Asylpolitik eine »kurzsichtige Gesinnungsethik an den Tag«. Wolle die Kirche mit ihrem Lob für Angela Merkels (CDU) Entscheidung im Herbst 2015 »unkontrollierte Zuwanderung«, »eine Intensivierung der Parallelgesellschaften in Deutschland« und den Verlust der »Hoheitsgewalt« der Polizei in Deutschland unterstützen? Und bedeuten nicht die Forderung der »Deutschen Katholischen Jugend« nach offenen Grenzen, die Kritik von Franziskus an einer geschlossenen Gesellschaft und die Forderungen bayerischer Ordensoberer nach einer humanen Flüchtlingspolitik nicht Terror wie in Paris, Brüssel, Berlin oder Stockholm? Zeitlers Text in der JF könnte mit seiner Stoßrichtung problemlos auch in der »Deutschen Stimme« erscheinen oder bei einem Pegida-Aufmarsch verlesen werden, so tief durchzogen ist er von rechten und rassistischen Ressentiments – und dem Glauben, die Kirche habe sich bereitwillig »dem linken politischen Lager« unterworfen und einen »Linksruck« vollzogen. Dramatisch endet der Text in der JF mit einer rechten Belehrung: »Die Kirche täte gut daran, wieder theologische Fragen in den Mittelpunkt zu stellen, die gesinnungsethische Radikalität zu verlassen und sich nicht zu einer politischen Partei zu wandeln, die das bürgerlich-konservative Spektrum vollständig aus den Augen verloren hat. Wie heißt es doch so treffend: Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, der wird bald Witwer sein!«
Vor allem durch die Positionierung der katholischen Kirche in der Flüchtlingspolitik – von der Spitze der Kirche bis zur Basis, die in der praktischen Flüchtlingshilfe aktiv war – entstand eine wichtige Bruchlinie nach rechts, die sich bis zur ausdrücklichen Ausladung der AfD von Podien des »Katholikentags« 2016 zeigte. Stand die Neonazi-Szene den christlichen Kirchen schon immer distanziert bis feindselig gegenüber, so gab es in der »Neuen Rechte« durch fundamentalistische ChristInnen, reaktionäre Strukturen wie »Opus Dei«, enttäuschte UnionsanhängerInnen oder National-Konservative immer Brücken – vor allem entlang von Fragen wie »Lebensschutz« oder konservativer Familienpolitik. Den Bruch in der Frage, wie mit Geflüchteten umzugehen ist, hat die AfD und die »Neue Rechte« durch ihr konfrontatives und aggressives Agieren weiter vertieft.