Rezensionen Ausgabe 168

von Margarete Schlüter, Sascha Schmidt, Ernst Kovahl

Magazin "der rechte rand" Ausgabe 168 - September 2017

Wider rechte Mythen

von Margarete Schlüter

Über mehrere Monate hinweg hat die »Frankfurter Rundschau« (FR) »Die Mythen der Rechten« in einer gleichnamigen Serie analysiert. Einige der im Rahmen der Serie veröffentlichten Artikel sind in dem vorliegenden Buch in einer aktualisierten und erweiterten Fassung zu finden.
Die beteiligten JournalistInnen haben zu einschlägigen rechten Mythen recherchiert und diese fundiert als solche aufgedeckt: »Alle Fremden sind Verbrecher«, »Alles für die, nichts für uns«, »Die verderben unsere Kinder«, »Unser Volk stirbt aus« und »Die lügen uns alle an«. Es handelt sich um eine Mischung aus Halbwahrheiten und Lügen, die über das Internet und insbesondere die sozialen Medien eine schnellere Verbreitung und größere Reichweite erlangen. Es geht dabei um »Geschichten, die oft nicht nur an den vermeintlichen Rändern erzählt und geglaubt werden«. Dem Internet die maßgebliche Verantwortung dafür zu geben, greift zu kurz. Es sind die von vielen in der Gesellschaft vertretenen Vorurteile, bei denen die rechten Mythen auf fruchtbaren Boden fallen.
Mit Recherche und Aufklärung begegnen die JournalistInnen dem menschenverachtenden Hass. Darüber hinaus werden Initiativen vorgestellt, die über Internetmissbrauch und Falschmeldungen aufklären und Tipps gegeben, wie jedeR »leicht herausfinden (kann), ob eine Information korrekt und die Quelle seriös ist«. So sollte man zum Beispiel bereits bei einer überspitzten Darstellung von Inhalten hellhörig werden, die Nachrichtenquelle herausfinden, auf die angewandte Sprache achten sowie die verwendeten Bilder genauer in den Blick nehmen. Skeptisch sollte man als Lesende auch dann werden, wenn »detaillierte Informationen unmittelbar nach einem Ereignis auftauchen«. Denn für fundierte Ergebnisse ist eine umfassende Recherche notwendig, die Zeit in Anspruch nimmt.
Das Buch schließt mit einem Glossar, in dem sowohl Schlagworte der Rechten als auch diejenigen benannt werden, die für die Verbreitung rechter Mythen mitverantwortlich sind: Parteien, Gruppierungen, Einzelpersonen und rechte Medien.
Dieses kurzweilig geschriebene Buch ist all jenen zu empfehlen, die rechte Erzählungen nicht einfach nur als solche abtun möchten, sondern diesen fundierte Recherchen entgegensetzen und zudem zweifelhaften Nachrichten selbst nachgehen möchten.

Bascha Mika und Arnd Festerling (Hrsg.): Die Mythen der Rechten. Was sie uns glauben machen wollen – und wie wir uns dagegen wehren können. Frankfurt am Main 2017, Societäts-Verlag, 176 Seiten, 12,80 Euro.

Über rechte Hooligans

von Sascha Schmidt

Spätestens seit 2012 ist in vielen deutschen Stadien ein »Kulturkampf« zwischen rechten Hooligans und antirassistischen Ultragruppen zu beobachten. Rechte Hooligan- und Fangruppen versuchen, die ihnen verloren gegangenen Stadionblöcke zurückzuerobern und antirassistische Ultragruppen gewalttätig aus den Stadien zu verdrängen. Die Randale der »Hooligans gegen Salafisten« (HoGeSA), vom Oktober 2014 in Köln, und die nachfolgend zu beobachtende Teilnahme rechter Hooligans an Kundgebungen der PEGIDA-Bewegung und ihre Einbindung in Ordnerstrukturen der selbsternannten ‹Retter des Abendlandes› stehen beispielhaft für die Repolitisierung dieser rechten Gruppierungen.
Der Sammelband »Fäuste, Fahnen, Fankulturen«, verfasst von Journalisten, Fanforschern und »sonstigen Fußballexperten«, nimmt die »Rückkehr der Hooligans auf der Straße und im Stadion« – unter internationaler Perspektive – in den Fokus.
Eingeleitet wird dieses Vorhaben durch Peter Beitzel, der einen kurzen Abriss der Geschichte des Hooliganismus vornimmt. Pavel Brunßen und Peter Römer stellen internationale Netzwerke rechter Hooligans, wie die islamfeindlichen und nationalistischen »Defenders of the European Culture«, vor. Daniel Ryser analysiert die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen russischen und englischen Hooligangruppen bei der EM 2016 in Frankreich. Der Produzent der Dokumentation »Inside Hogesa«, Fred Kowasch, gewährt Einblicke in seine Erkenntnisse im direkten Umgang mit der Szene. Mark Haarfeld beschreibt die Geschichte der Fußball-Fankultur in der DDR und die Rolle des Fußballs als Protestkultur für Heranwachsende. Dabei thematisiert Haarfeld auch den (Nicht-)Umgang der DDR-Staatsführung mit rechten Hooligans und die seit Mitte der 1980er zu beobachtende Verstrickung zwischen Fußballfans und organisierten Neonazis. Robert Claus unternimmt einen »Streifzug durch die Geschlechterwelten rechter Hooligans« und konstatiert zutreffend, dass »ohne über Männlichkeit zu reden, Hooliganismus nicht verstanden werden« kann. Mit einem »fussballphilosophischen Essay«, in dem der Herausgeber des Buches, Richard Gebhardt, das spannungsgeladene Verhältnis von Gewalt im Fußball und der Gesellschaft thematisiert, findet das Buch einen interessanten Abschluss.

Richard Gebhardt (Hrsg.): Fäuste, Fahnen, Fankulturen – Die Rückkehr der Hooligans auf der Straße und im Stadion. Köln 2017, PapyRossa Verlag, 163 Seiten, 13,90 Euro

Recht und Rechte

von Ernst Kovahl

»Die politische Rechte ist auf dem Vormarsch. Umso mehr ist es notwendig, sich damit zu beschäftigen, wie das Recht auf rechte Gewalt, Rassismus, Antifeminismus und Antisemitismus reagiert«, schreibt die Redaktion der Zeitschrift »Forum Recht« einleitend in ihrem Heft »Deutsche Zustände«.
Maruta Sperling ordnet darin den NSU-Prozess in die Geschichte der politischen Strafjustiz ein. Sie kritisiert die mangelnde Auseinandersetzung mit dem rechten Netzwerk der Gruppe und beschreibt, wie unterschiedlich die Justiz mit politisch motivierten Taten umgegangen ist (NS-Prozesse, RAF, NSU, …). Rechte TäterInnen würden methodisch entlastet. Sie betont die Bedeutung der Nebenklage, um den Deutungen von Staatsanwaltschaft und Gericht eine »Gegenerzählung« entgegenzustellen.
Jonas Fedders beschäftigt sich mit der juristischen Auseinandersetzung zwischen der Publizistin Jutta Ditfurth und dem rechten Autoren Jürgen Elsässer (»Compact«). Er untersagte ihr gerichtlich, ihn als »glühenden Antisemiten« zu bezeichnen. Fedders kritisiert, dass zunehmend Gerichte trotz mangelnder Fachkenntnis entscheiden, welche Äußerungen als antisemitisch zu werten seien – ein »strukturelles Problem« und eine »fragwürdige« Entwicklung.
Die vorsätzliche Aktenvernichtung im NSU-Komplex im »Bundesamt für Verfassungsschutz« nach dem Auffliegen der Neonazi-Mordserie bezeichnet Maximilian Pichl als »Skandal ohne öffentlichen Aufschrei« und »beispiellosen Vorgang«. Ein Mitarbeiter des Dienstes hatte Akten von Spitzeln vernichtet, um Spuren zu beseitigen. Pichl meint, damit sei der »staatlichen Untersuchungspflicht« nicht nachgekommen worden.
Clara-Anne Bünger berichtet über den Prozess gegen die griechische Neonazi-Partei »Goldene Morgenröte« wegen Gewalttaten und Gründung einer kriminellen Vereinigung. Unter den Angeklagten sind zahlreiche Abgeordnete.
Weitere Aufsätze widmen sich einmal dem Berliner Prozess gegen Rolf Z., der 2015 einen Mann tötete. Seinen rechten Hintergrund würdigte das Gericht nicht. Am Agieren der Staatsanwaltschaft im NSU-Prozess wird dann gezeigt, dass die Wahrnehmung rechter Gewalt durch die Anklagebehörden in Deutschland »mindestens defizitär« sei. Die juristischen Auseinandersetzungen um Schwangerschaftsabbrüche werden des weiteren anhand der Beschäftigung mit Aktivitäten antifeministischer Bündnisse aus religiös-fundamentalistischen und nationalkonservativen bis faschistischen Gruppen beschrieben.

Forum Recht: Deutsche Zustände, Nr. 1/2017, Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen, Berlin 2017, 32 Seiten, 3 Euro (Abo: 12 Euro).
Bezug: www.forum-recht-online.de.