Für immer ein »Reich«

von Toni Brandes und Ernst Kovahl

Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 165 - März/April 2017

Die aktuelle Aufmerksamkeit, die den »Reichsbürgern« zuteil wird, speist sich aus einer unglaublichen Bandbreite an begangenen Taten. Angefangen bei den tödlichen Schüssen gegen Polizeibeamte in Bayern über schwerste Körperverletzungen, Amtsanmaßungen, Steuerhinterziehungen bis hin zum Nicht-Anerkennen des Staates in dem sie leben – und für die BeamtInnen unter ihnen – des Staates, der sie bezahlt und dem sie dienen. Auch wenn Staat und Medien erst seit kurzem auf die »Reichsbürger« aufmerksam werden, so ist die Bewegung nicht neu. Der mystisch und mythologisch aufgeladene – und demzufolge also recht beliebig interpretierbare – Begriff des »Reichs« hatte in den 1920er Jahren durch die Veröffentlichung des Buches »Das dritte Reich« des »konservativen Revolutionärs« Arthur Moeller van den Bruck größere Verbreitung gefunden. Auch wenn die Bezeichnung »Drittes Reich« vom Nationalsozialismus selbst verwendet wurde – eine definierte Umschreibung oder Darstellung gab es nicht. Und wenn das »Dritte Reich« im weiteren Verlauf gegenüber den Begriffen des »Tausendjährigen Reichs« und des »Großdeutschen Reichs« in den Hintergrund traten, war der Bezug auf ein »Reich« den alten und später den neuen Nazis weiterhin wichtig.

Im Narrativ der »Reichsbürger« existiert das »Deutsche Reich« weiterhin. Die bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands am 8. Mai 1945 betraf in dieser Lesart der Geschichte ausschließlich die Wehrmacht. Die damalige Reichsregierung unter Großadmiral Karl Dönitz sei von den Alliierten völkerrechtswidrig verhaftet und abgesetzt worden. Demzufolge seien alle folgenden Staatsformen »illegal«. Zusätzlich sei das Gebiet des »Deutschen Reichs« durch die Alliierten weiterhin besetzt, glauben die »Reichsbürger«. Wie schon ihre Selbstbezeichnung deutlich macht, erkennen sie Deutschland in seiner heutigen Form nicht an und berufen sich weiterhin auf das »Deutsche Reich« – vorzugsweise in den Grenzen von 1937. Dabei können sie auf juristische Ausführungen von früheren Anwälten, wie zum Beispiel Horst Mahler, zurückgreifen. Ideologisches Rüstzeug gibt es von dem Ende Januar 2017 verstorbenen Hans-Dietrich Sander – unter anderem Gründer und Herausgeber der »Staatsbriefe« (1990 bis 2001) – und von Reinhold Oberlercher, der dem 1994 gegründeten »Deutschen Kolleg« verbunden ist. Die Organisation hatte bereits 1999 einen Reichsverfassungsentwurf für ein »Viertes Reich« veröffentlicht.