Niedersachsen

von David Janzen


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Wohl in keinem anderen Landesverband zeigt sich die »Alternative für Deutschland« (AfD) öffentlich so zerstritten wie in Niedersachsen. Von einem »offenen Krieg« spricht da die Göttinger Kreisvorsitzende Dana Guth und »Die Welt« zitiert einen Parteifunktionär mit der Aussage, der Landesvorsitzende Paul Hampel sei »hochgradig unseriös und das wandelnde Chaos«. Dessen KritikerInnen, wie der unlängst von allen Ämtern zurückgetretene ostfriesische Kreisvorsitzende Holger Pieters, werfen ihm einen diktatorischen Führungsstil vor. Der NDR berichtete von Mails, die im Landesvorstand kursierten und in denen zur »Operation Trappenjagd« gegen Hampel-KritikerInnen geblasen werde, um ihnen mit einem »Karnickelfangschlag« den Garaus zu machen. Der Landesvorstand warf Pieters in einer Mitgliedermail vor, ein »destruktives Verhalten« an den Tag zu legen und kündigte an, einen möglichen Parteiausschluss zu prüfen. In Hildesheim wurde der gesamte Kreisvorstand des Amts enthoben und in Göttingen verhängte der Landesvorstand einen Aufnahmestopp für Neumitglieder, weil eine »zunehmende Tendenz« bestehe, »mit Personen zusammenzuarbeiten, die erkennbar dem rechtsextremen Milieu zuzuordnen sind«. Dana Guth wiederum bezeichnete in einer Mail das Vorgehen des Landesvorstandes als »Strafaktion« gegen »aufständische Kreisverbände«.

»Junge Alternative« auf einer AfD-Kundgebung 2016 in Hannover

Spiegelbild
Der Streit hat auch eine politische Dimension: Pieters und Guth warfen Hampel wiederum vor, er selbst grenze sich nicht vom rechten Rand ab. So habe er mit seinem Auftritt beim extrem rechten »Arbeitskreis für deutsche Politik e. V.«, der vom Verfassungsschutz beobachtet werde, der Partei öffentlich geschadet. In Salzgitter trat der Polizist Peter Fabritz von seiner Kandidatur als AfD-Direktkandidat für die Bundestagswahl zurück. Gegenüber den Medien nannte er nicht nur die ausschließliche Besetzung der obersten Plätze der Landesliste mit Hampel-Getreuen als Grund für den Rücktritt, sondern auch den »deutlichen Rechtsruck« des »national-konservativen« Parteiflügels in der Partei.
Der Streit in Niedersachsen reicht dabei bis hinein in den Bundesvorstand. Dort sitzt aus Niedersachsen nicht nur Hampel, der als Vertrauter von Alexander Gauland, Unterstützer von Höcke und Gegner von Frauke Petry gilt, sondern mit Bodo Suhren auch einer seiner schärfsten Kritiker im Landesverband. So befasst sich eine Untersuchungskommission des Bundesvorstands mit der Frage, ob Hampel mit seinem Vorgehen gegen seine KritikerInnen gegen die Parteisatzung verstoßen habe. Hinzu kommen Gerüchte über finanzielle Unregelmäßigkeiten, die Hampel zu verantworten habe.

Hampel und Co.
Hampel, der als jahrelanger Parlaments- und Auslandskorrespondent der ARD öffentlich bekannt wurde, ist seit 2013 durchgängig Landesvorsitzender der AfD. Und er kann sich trotz aller Kritik auf eine starke Hausmacht stützen: Im Februar wurde er in Hannover mit fast 90 Prozent der Stimmen auf Platz 1 der Landesliste zur Bundestagswahl gewählt. Da waren viele der oppositionellen Kreisverbände allerdings gar nicht vertreten. Diese monierten die Aufstellung der Landesliste, zogen vor das Parteischiedsgericht und versuchten vergeblich einen Sonderparteitag durchzusetzen, um vor einer Fortsetzung der Aufstellung der Landesliste den Landesvorsitzenden abzusägen. Doch allen Querelen zum Trotz wurde Hampel im März mit 56 Prozent der Stimmen erneut zum Landesvorsitzenden gewählt, seine Herausforderin Dana Guth erhielt nur knapp 23 Prozent der Stimmen.
Der jetzige Landesvorstand besteht nur noch aus Hampel-Getreuen, die auch die oberen Plätze der Landesliste zur Bundestagswahl besetzen: Auf Platz 2 kandidiert der selbständige Ingenieur Jörn König aus Hannover, ehemaliger DDR-Vizemeister im Schwimmen, auf Platz 3 der Pilot Thomas Ehrhorn aus Celle und auf Platz 4 der stellvertretende Landesvorsitzende Wilhelm von Gottberg. Der ehemalige Polizist und Dozent für Staats- und Verfassungsrecht an einer Polizeifachschule des Bundesgrenzschutzes war jahrelang CDU-Bürgermeister im wendländischen Schnegga, von 1992 bis 2010 Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Ostpreußen und bis 2012 Vizepräsident des »Bunds der Vertriebenen«. Der 1940 geborene Gottberg hat gute Chancen nach der Bundestagswahl Ende September Alterspräsident des Bundestages zu werden.
Unter Druck steht auch der Nachwuchs der Partei: So wurde gegen den Vorsitzenden des »Junge Alternative« (JA)-Bezirksverbands Braunschweig, Lars Steinke aus Göttingen, ein Ausschlussverfahren eingeleitet. Vorgeworfen wird ihm unter anderem, er solle mehrere Mahnwachen des extrem rechten »Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen« angemeldet haben und der »Identitären Bewegung« (IB) nahe stehen. Auch der Landesvorsitzende Paul Hampel fühlt sich in diesem Milieu offensichtlich wohl: Im Januar hielt Hampel einen Vortrag zur »Krise der deutschen Außenpolitik« auf dem Haus der (neu-)rechten Braunschweiger »Burschenschaft Thuringia«, die derzeit den Vorsitz der »Deutschen Burschenschaft« innehat.

Ausblick
Eine aktuelle Wahlumfrage des INSA-Instituts sieht die AfD in Niedersachsen bei 6 Prozent. Bei der zurückliegenden Kommunalwahl 2016 hatte die Partei landesweit noch 7,8 Prozent eingefahren und ist in vielen Kommunalparlamenten vertreten.
Für den Landesverband mit seinen rund 2.000 Mitgliedern steht die Landtagswahl Anfang 2018 an. Die Bundestagswahl Ende September 2017 könnte noch zur Zitterpartie werden. Die Partei war davon ausgegangen ihre Landesliste mit KandidatInnen bei der Landeswahlleiterin eingereicht zu haben. Um das zu belegen, wurde ein entsprechendes Schreiben veröffentlicht, das sich jedoch als Fälschung entpuppte. Nun müssen die Unterlagen erneut bis Mitte Juli eingereicht werden. Sollte dieser Termin verstreichen, droht der Ausschluss der Landesliste von der Bundestagswahl mit entsprechenden Konsequenzen für das Gesamtergebnis der AfD.