Antifeminismus ist keine Männersache

von Tanja Gäbelein
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Zuwanderung (auch und gerade durch Familiennachzug) soll gestoppt werden. Weiße, akademische Frauen sollen dementsprechend zum frühen und mehrmaligen Gebären und Erziehen von Kindern bewegt werden – beispielsweise durch Propaganda für Elternschaft, die bürgerliche Kleinfamilie und gegen Abtreibungen in Schule und Medien, durch einen Erlass der BAföG-Rückzahlungen bei Geburt eines Kindes während oder kurz nach Ende des Studiums und durch ein Familiensplitting, bei dem sich der nicht zu versteuernde Freibetrag des elterlichen Einkommens pro Kind erhöht.

Wider die weibliche Selbstbestimmung
Für den Fall, dass eine im binären Geschlechtersystem der AfD als weiblich eingeordnete Person sich diesen Vorstellungen widersetzt, setzt die Partei auf Sanktionierung sowie rigide staatliche Einschränkungen der persönlichen Entscheidungsfreiheit. So ist sie für die Wiedereinführung des Verschuldungsprinzips bei Scheidungen. »Schwerwiegendes Fehlverhalten gegen die eheliche Solidarität« (ohne klar zu definieren, welche Art von Verhalten hierunter fällt) soll wieder Grund sein zur Verweigerung der Unterhaltszahlungen durch die ökonomisch stärkere Seite, zumeist durch den früheren Ehemann. Bei der Frage nach staatlicher Unterstützung Alleinerziehender (in circa 85 Prozent der Fälle nach wie vor Frauen) soll darüber hinaus miteinbezogen werden, ob »diese Lebenssituation schicksalhaft, durch Selbstverschulden oder auf Grund eigener Entscheidungen zustande gekommen ist«. Durch diese Maßnahmen wird die Entscheidungsfreiheit verheirateter Frauen, insbesondere mit Kindern, sich scheiden zu lassen, mit ökonomischen Mitteln erschwert und sanktioniert. Beim Thema Abtreibungen wiederum fordert die AfD statt ergebnisoffener Schwangerschaftskonfliktberatung, diese solle vorrangig auf das Austragen der Schwangerschaft hinwirken. Sollten diese Beratungen nicht zu einer deutlichen Reduzierung der Abtreibungen aufgrund sozialer Indikation führen, erwägt die Partei gar »gesetzliche Korrekturen«, die einen »wirksame(n) Lebensschutz« gewährleisten sollen. Die Botschaft ist eindeutig: Wenn nicht weniger Personen »freiwillig« von einer Abtreibung absehen, soll der Zugang dazu weiter eingeschränkt werden.
Nicht zuletzt sei noch auf die Bevormundung muslimischer Frauen eingegangen, die sich für eine Verschleierung entscheiden. An dieser Stelle fordert die AfD ein Verbot von Burka und Niqab im öffentlichen Raum wie auch ein Verbot des Hijab im öffentlichen Dienst sowie für Lehrerinnen und Schülerinnen. Diese Frauen würden damit aus nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und insbesondere vom Zugang zu Bildung ausgeschlossen beziehungsweise massiv in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Minderjährigen muslimischen Mädchen würde diese Freiheit aufgrund der geltenden Schulpflicht gänzlich genommen.
Es bleibt dabei die abschließende Frage, wie diese Politik mit einer Partei zusammengeht, an deren Spitze starke, durchsetzungsfähige Frauen stehen.

Starke Frauen müssen nicht feministisch sein
Das weibliche Interesse und Engagement an der extremen Rechten wurde seit den 1990er Jahren vielfältig untersucht. Festzuhalten bleibt, dass weiße Frauen nicht seltener extrem rechts eingestellt sind als weiße Männer. Rassismus, Nationalismus und Konventionalismus sind keine Fragen des Geschlechts. Eine Argumentation nimmt darüber hinaus das neoliberale Leistungsideal des »Sich-hoch-arbeitens«, das auch zahlreiche extrem rechte Frauen verinnerlicht haben, in den Blick. Mit einer Distanzierung vom Feminismus als »Emanzentum« und »Bevorzugung« erarbeiten sie sich zunehmend einflussreiche Sprecherinnenpositionen in der extremen Rechten, ohne dabei aber die systematische Benachteiligung von Frauen als Problem zu benennen oder die traditionellen Geschlechterrollen infragezustellen. Ihre Position betrachten sie als individuelle Entscheidung und Leistung, die an sich aber nicht als politische Botschaft verstanden werden soll.
Für extrem rechte Parteien und Organisationen, insbesondere für die so genannte »Neue Rechte«, die um ein modernes Auftreten bemüht ist, ist die Präsenz dieser Frauen für die Außenwirkung von Vorteil.
Nun ist die AfD keine extrem rechte Partei im klassischen Sinne. Zwar setzen sich zunehmend völkische Positionen durch, doch auch nationalliberale und christlich-konservative bis -fundamentalistische Kreise setzen ihre Akzente in der Programmatik. Mit Blick auf die Frontfrauen der Partei lohnt daher die Frage nach deren konkreten Interessen an der AfD.
So ist Alice Weidel nicht nur weiblich und lesbisch, sondern auch Ökonomin, erfolgreiche Unternehmensberaterin und ausgeprägte Kritikerin der europäischen Finanz- und Migrationspolitik. Sie selbst gibt an, sich nie diskriminiert gefühlt zu haben und dass es für sie wichtige Politikfelder gebe, deretwegen sie in die Partei eingetreten sei. Frauke Petry wiederum ist Chemikerin, ehemalige Unternehmerin und sorgt sich verstärkt um das Überleben des deutschen Volkes. Um dieses sicherzustellen, sei es zum einen wünschenswert, dass jede deutsche Familie mindestens drei Kinder habe. Zum anderen befürwortet sie eine Verschärfung der Regelung zum Schwangerschaftsabbruch. Zentrale Vertreterin der christlich-fundamentalistischen Positionen in der Partei ist Beatrix von Storch. Sie stammt aus einer politisch aktiven Adelsfamilie und ist im deutschen und europäischen Hochadel gut vernetzt. Mit ihrem klerikal-aristokratischen Kampagnen-Netzwerk »Zivile Koalition e.V.« setzt sie sich sowohl für die Interessen des Adels als auch für jene der abtreibungsgegnerischen Lebensschutz-Bewegung ein.
Alle drei Frauen lehnen Gender Mainstreaming als vermeintliche Bevorzugung ab und leben das neoliberale Ideal der leistungsorientierten Business-Frau. Besonders Petry verkörpert darüber hinaus das Bild der »Power-Frau«, die sowohl Karriere als auch traditionelle Familie zu meistern scheint. In der AfD verfolgen alle drei, genau wie ihre männlichen Parteigenossen, konkrete Interessen. Sie sind dabei bei weitem nicht die einzigen, die hierfür eine widersprüchliche Position in Kauf nehmen. In der politischen Auseinandersetzung gilt es daher, ihre jeweiligen Inhalte zu problematisieren anstatt sich an ihrem Geschlecht abzuarbeiten.