Eine Zäsur

von der Redaktion „der rechte rand“
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 167 - Juli 2017

Geschichte der Bundesrepublik – dem Land der „Konservativen Revolution“ der Zwischenkriegszeit, des Nationalsozialismus, des Vernichtungskrieges und der Shoa. Offene AntisemitInnen in der AfD, Bezüge auf den deutschen Faschismus und antisemitische Positionen in der „Neuen Rechten“, Kontakte zu Neonazis oder die Verklärung der mörderischen Wehrmacht behindern Wahlerfolge nicht mehr. Die AfD und „Neu-Rechte“ sind inzwischen fester Bestandteil von Talkshows oder Magazinen. Wenn Gewerkschaften oder Kirchen die Antidemokraten von Podien fern halten wollen müssen sie sich inzwischen mit dem Verweis auf Meinungsfreiheit rechtfertigen. „Deutschland driftet“, das stimmt nicht mehr. Deutschland ist gedriftet.

In unserer ersten Ausgabe 1989 beleuchteten wir den Flügelstreit der REP, die immer weiter nach rechts kippten. Politiker der CDU/CSU waren in die Partei übergetreten, hatten aber zunehmend gegen NeofaschistInnen und offene RassistInnen das Nachsehen. Wir belegten, dass immer mehr frühere Neonazis und ehemalige Funktionäre extrem rechter Organisationen die REP dominierten. Und wir kritisierten, dass die „großkotzige Euphorie“ der rechten Szene auch „vom Medieninteresse an den markigen Sprüchen und provokanten Bildern“ genährt werde. In der Szene herrsche „Aufbruchstimmung“. Das klingt alles vertraut – es klingt wie heute.

Dennoch waren die InitiatorInnen des Antifaschistischen Magazins 1989 guter Dinge: „Wo immer sich der rechte Rand aus der Anonymität hervor wagt, treten ihm schon vor Ort antifaschistische Kräfte gegenüber und drängen ihn in die Defensive. Diese Initiativen wirken bisher mit unterschiedlichem Erfolg. Immer aber mit dem Effekt, daß die Neonazis kaum noch irgendwo ungestört ihre Propagandaveranstaltungen abhalten können.“ Und heute? Kundgebungen und Kampagnen gegen Rechts gibt es überall. Mit staatlichen Fördergeldern werden Initiativen unterstützt, quer durchs Land sind Geflüchtete auf eine riesige Unterstützung gestoßen und medial wurde aus dem Nischen-Thema „Rechtsextremismus“ gut zu verkaufender Journalismus. Doch zuletzt ist es nicht gelungen, den Aufstieg reaktionärer Politik zu stoppen oder relevante Strukturen der extremen Rechten effektiv zu schwächen. Seit etwa drei Jahren gelingt es einer lauten Minderheit, Debatten und Berichte zu dominieren – und die Politik vor sich her zu treiben. Die de-facto Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1992/´93 war die Folge rechter Massenmobilisierungen, rassistischer Gewalt und mörderischer Brandanschläge. Und erneut lassen sich heute Politik, Medien und Gesellschaft von rechts treiben. Es wird Zeit, dass die Mehrheit der Gesellschaft den Forderungen der extremen Rechten und ihren Strukturen und handelnden Personen deutliche Grenzen setzt.