»Alternative« mit Schmiss

von Jörg Kronauer
Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 162 - September 2016

hat es nicht lange gedauert, bis man Burschenschafter in deren Reihen fand. Einer der ersten war Ulrich Wlecke. Seine politische Biographie ist durchaus typisch für dieses Milieu. Wlecke hatte Ende der 1970er Jahre in Münster ein Studium aufgenommen und war dort 1978 bei der »Burschenschaft Franconia« aktiv geworden. Bald darauf betätigte er sich gemeinsam mit weiteren »Franconen« in einem damaligen Modeclub politisierender ultrarechter Jungakademiker, dem deutschen »Ring Freiheitlicher Studenten« (RFS), der nach dem Vorbild der gleichnamigen FPÖ-Studierendenorganisation gebildet worden war. Von 1989 bis 1992 war Wlecke Mitglied der REPs, bei denen er laut Berichten in Bemühungen um den Aufbau einer Parteistiftung eingebunden war. Anschließend machte er bei der »WestLB« und der Unternehmensberatung von Roland Berger Karriere. Dies verlangte unvermeidlich eine gewisse politische Zurückhaltung. Erst 2009 und 2010 wagte sich Wlecke wieder in die politische Öffentlichkeit – als »Budget-Experte« bei Parlamentsanhörungen der FPÖ in Wien. Von der AfD war er sofort angetan, und entsprechend ließ er sich auf dem zweiten Landesparteitag der NRW-»Alternative« am 4./5. Mai 2013 in Schmallenberg auf Platz 4 der Bundestagskandidatenliste wählen. Weil aus dem Bundestagsmandat nichts wurde, ging Wlecke schließlich für die AfD in den Düsseldorfer Stadtrat. Inzwischen hat er sich mit der Partei zerstritten und gehört der gemeinsamen Stadtratsfraktion von »Tierschutzpartei« und »Freie Wähler« an.

Radikalisierungsbemühungen

Man kann nicht sagen, dass die AfD die burschenschaftliche Wunschpartei à la FPÖ geworden sei; schon gar nicht in ihrer ersten Phase, als Bernd Lucke an ihrer Spitze stand. Noch Ende 2014 rechnete Johann Hagus (»Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn«) im DB-Verbandsblatt »Burschenschaftliche Blätter« mit Dieter Stein ab, seinerseits Gründer und Chefredakteur der »Jungen Freiheit« (JF). Dieser sei ein »Studienabbrecher«, »prinzipienlos« und »nicht in der Lage, ein kohärentes Gedankengebäude zu errichten«. Zudem habe er die Wochenzeitung aus ihren ursprünglich konservativ-revolutionären in öde spießige Gewässer geführt. Sie unterstütze die AfD dermaßen, »daß politische ­Beobachter unken, die JF sei das inoffizielle Lucke- und Henkel-Sprachrohr«, ätzte Hagus.
Noch heute ist so manchem Burschenschafter vom rechtesten Verbandsflügel, der nach wie vor Sympathien für die NPD hegt, die AfD zu kleinkariert, zu weichgespült, schlicht nicht extrem genug. Das hat jedoch andere Rechtsaußenburschenschafter nicht daran gehindert, die AfD schon recht früh als Chance zu begreifen, in einer noch jungen, formbaren, aber bereits sehr erfolgreichen Partei Pöstchen und Einfluss zu erlangen. Neben der üblichen ‹Gschaftlhuberei› ging es denjenigen unter ihnen, die strategisch denken, darum, die AfD samt ihrer AnhängerInnenschaft nach rechts zu trimmen, das heißt sie systematisch zu radikalisieren.

Zwischen »Deutscher Burschenschaft« und AfD

Tatsächlich stellte sich schon Anfang 2014 heraus, dass einige von Hagus‘ Bonner Bundesbrüdern den Weg in die AfD gegangen waren. »Raczek«-Mitglied Joachim Paul hatte es bis zum Landesschriftführer der AfD in Rheinland-Pfalz gebracht, Ralf Spitzl zum Vorstandsmitglied im Kreisverband Rhein-Sieg und Alexander Jungbluth immerhin zum Vizechef der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« (JA) in NRW. Alle drei sind heute noch in der Partei aktiv; Jungbluth führt den Stadtverband Aachen, Spitzl sitzt im Vorstand des Kreisverbandes Rhein-Sieg, Gymnasiallehrer Paul wiederum wirkt zur Zeit als stellvertretender Vorsitzender der Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz. Neben mehreren »Raczeks« war vor zwei Jahren auch Gordon Engler (»Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia«) bei der AfD tätig; damals hatte er noch den Posten des DB-Sprechers inne, mittlerweile sitzt er für die Partei im Dresdner Stadtrat. Auch Philipp Runge, Ex-Sprecher der »Berliner Burschenschaft Gothia« und Ex-PR-Referent der JF, war zur AfD übergelaufen und in der »Abteilung Strategie und Kampagnen« ihrer Bundesgeschäftsstelle für »Organisation und Planung« zuständig.
Benjamin Nolte von der »Münchner Burschenschaft Danubia« bescherte der AfD im Frühjahr 2014 ihren ersten echten Burschenschafterskandal. »Bananen-Nolte macht Karriere«, titelte die »taz« wenige Wochen nachdem er zum stellvertretenden JA-Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Nolte hatte laut der Zeitung im Frühjahr 2009 – damals war er DB-Obmann für Politik und Kultur – während eines Saufgelages am Rande des »Eisenacher Burschentages« einen großen Auftritt gehabt. Es ging damals hoch her, besoffene Burschenschafter grölten: »Wir wollen den Neger sehen«, weil es die »Kölner Burschenschaft Alemannia« gewagt hatte, einen ‹Bundesbruder› mit dunkler Haut nach Eisenach mitzubringen. In der allgemeinen Hochstimmung überreichte Nolte, wie mehrere Quellen bestätigten, »den anwesenden Mitgliedern der Alemannia eine Banane«. Wenige Tage nach Veröffentlichung des Berichts war Nolte Ex-Vizechef der JA. Heute gehört er dem AfD-Bezirksvorstand im urigen Oberbayern an, wo Südfrüchte keine ‹allergischen Reaktionen› auslösen.
Burschenschafter tummeln sich heute