Rechte Zivilgesellschaft

von Igor Netz

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

die Ausstellung zeigen, »wie mit Geschichtsfälschung der Sieger immer wieder versucht wurde und wird, ein Volk von glücklichen Sklaven und hörigen Systemdienern zu züchten«. Ein solcher Satz ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Überlebenden nationalsozialistischer Vernichtungspolitik. Er diskreditiert zudem die bundesdeutsche bürgerliche Demokratie als Anhängsel derjenigen, die das nationalsozialistische Deutschland militärisch besiegten.

Die Ausstellung

Ein Besuch in der Ausstellung, die am 31. Januar 2016 eröffnet wurde, zeigt, wie sie aufbereitet ist und dem Publikum vorgestellt wird. Die angemeldete Führung erfolgte durch Jürgen Lange. Er ist der »1. Präsident des Vereins Lebenskurve« und hat die Ausstellung, teils mit Leihgaben von Bekannten, zusammengestellt. Vizepräsidentinnen des eingetragenen Vereins sind Angelika Lange und Olivia Lange aus Altenburg. Der Ausstellungsort, die sogenannte Uferburg oder auch »Burgvogtei Ziehgenhayn« in Langes Sprachgebrauch, ist mitnichten eine ehemalige Burg. Vielmehr handelt es sich um ein Gebäudeensemble, teils als Fachwerk konstruiert, das um- und neugebaut wurde. Verschiedene Räume dienen für pseudomittelalterliche Bankette mit klingenden Namen wie »Futtern wie bei Luthern« oder »Barbarossas Ritterfressen«, die für die Gäste zu buchen sind. Der Rundgang durch die Ausstellung »2000 Jahre – Des Deutschen Volkes Leidensweg« ist nicht einzeln zu buchen. Sie ist Teil der so genannten Burgvogtei-Führung »Auferstanden aus Ruinen«. Der Weg führt also zuvor durch den Turnierraum, die Tanzdiele, die Bohlenstube sowie durch eine Mutter-Erde-Kapelle und einen Raum, als »Wunderkammer« bezeichnet, der Beispiele der »Freien Energie« zeigt, die eine ökologische Alternative zur »naturfeindlichen Einsteinschen Sackgasse«, so der Text auf der Webseite der Uferburg, darstellen sollen.

Die Führung

Eingangs betont Lange, dass das Fotografieren im »Heimat-Cabinet«, in dem die hier im Mittelpunkt stehende Ausstellung zu sehen ist, nicht erlaubt sei. Das »Landesamt für politische Bildung«, gemeint ist wohl die Landeszentrale für politische Bildung, hätte ihm Ärger bereitet. Außerdem seien gefälschte Bilder der Ausstellung auftaucht, auf denen Hakenkreuze in die Fotos montiert worden seien, um ihn zu diskreditieren. Langes Ausführungen sind immer wieder begleitet von verschwörungsideologischen Bemerkungen über ‹Chemtrails› und ähnliches. Er bemüht sich dabei, den Eindruck zu erwecken, nicht missionieren zu wollen. Er würde nur eine alternative Meinung vertreten, die man nicht übernehmen müsse. An vielen Stellen bleibt Lange im Ungefähren und beendet Sätze mit der Formel »den Rest können Sie sich selbst dazu denken«. Zu dieser Floskel greift Lange meistens dann, wenn er sich am Rande von juristisch sanktionierbaren Äußerungen bewegt oder sich zumindest nicht auf eindeutig zitierbare Aussagen festlegen will. Erwähnenswert ist die »Mutter-Erde-Kapelle«, eine Art Sakralraum mit altarähnlicher Konstruktion und der Aufschrift »Gedenke deinen Ahnen«, Orgel, Sitzbänken in Reihen. Über der Tür prangt eine große Lebensrune, an der Decke hängt die Schwarze Sonne, die auch als Bodenornament im Obergruppenführersaal der Wewelsburg zu sehen ist, die Heinrich Himmler zur »SS-Burg« umbauen ließ. Mit diesem Teil der Geschichte geht Lange offensiv um. Er beschreibt den Zusammenhang und relativiert dabei: Himmler habe das Symbol »benutzt«.

Das »Heimat-Cabinet«, in dem sich die Ausstellung »2000 Jahre – Des Deutschen Volkes Leidensweg« befindet, macht einen unübersichtlichen Eindruck. Die Ausstellungsgegenstände sind eine Ansammlung von Alltagsgegenständen, Fotos und Büchern in gläsernen Vitrinen. Der Sinn der Exponate erschließt sich in vielen Fällen erst durch die Erzählung Langes. Sie soll aufzeigen, dass das »deutsche Volk« über 2.000 Jahre unter Fremdherrschaft und geistiger Indoktrination durch Besatzer gelitten hätte. Die »Vertreibung« von Deutschen aus Osteuropa nimmt einen großen Platz ein und wird zudem symbolisiert durch Schaufensterpuppen, eine schwangere Frau mit einem Kind an der Hand. Die Bombardierung Dresdens wird als »Bombenholocaust« bezeichnet, dargestellt als eine Art Diorama in einer Vitrine mit wohl echten Bombenteilen und einer aus dem Untergrund ragenden weiblichen Hand. Offene Holocaustleugnung betreibt der Vorsitzende des »Lebenskurve e.V.« nicht. Allerdings ist seiner geschichtsrevisionistischen Darstellung zufolge Hitler ein britisch-zionistischer Agent gewesen und die »jüdischen Mitbürger« (Lange) seien durch ihre zionistischen Führer missbraucht worden. Überhaupt ist es Langes Vorstellung, es hätten sich Zionisten im Geheimen verschworen, um die Weltgeschichte so zu lenken, dass am Ende der Staat Israel gegründet würde.

Lange hat auch »Projekttage für Schulklassen« in seinem Angebot. Deren Themen sind: »Freie Energie – Die Revolution des 21. Jahrhunderts« und »Wer schrieb mein Geschichtsbuch. Von A wie Arminius bis Z wie Zinsgeldsystem«. Letzteres Angebot soll im »Heimat-Cabinet« stattfinden.

Die Vereine

Jürgen Lange und sein gemeinnütziger Verein »Lebenskurve« bewegen sich in einem illustren Umfeld, das als extrem rechte Zivilgesellschaft bezeichnet werden kann. Sie ist in den Alltag der Stadt eingebunden und wird mittelbar oder unmittelbar von Instanzen wie dem sozialdemokratischen Bürgermeister oder der Altenburger Tourismus GmbH gestützt. Auch beim Tag des offenen Denkmals am 11. September 2015 gehörten die »Burgvogtei Ziegenhayn« und »Lebenskurve e. V.« mit zum Programm. Dabei kann der Verein dem Umfeld des informellen Netzwerks des »Bürgerforums Altenburger Land«, eines örtlichen PEGIDA-Ablegers, zugeordnet werden. Immerhin vertritt Lange neben Rene Junghanns, Frank Schütze, Holger Merz und Marco Unverzagt den im Impressum genannten »Deutschen Zivilschutz e. V.«.

Dieser bezeichnet sich auf seiner Internetseite als Kooperationspartner von »Lebenskurve e. V.«. Darüber hinaus bietet der »Deutsche Zivilschutz« jenes Know-How an, das eine Bürgerwehr braucht: Kampfsportkurse und Informationen zum sogenannten Jedermannsrecht. Aber auch Seminare zur esoterischen »Freien Energie« oder über Zivilschutz und Geldsystem gehören zu seinem Angebot. Die im Impressum Genannten sind mit den Akteuren des »Bürgerforums Altenburger Land« identisch. Das »Bürgerforum« veranstaltet seit Ende 2015 »Offene Stammtische« und bisher sechs Aufmärsche unter dem Motto »Fehlpolitik Deutschland«. Auch schmückt es sich auf seiner Webseite unter anderem damit, am 3. Februar 2016 eine Veranstaltung mit dem extrem rechten Magazin »Compact« von Jürgen Elsässer durchgeführt zu haben, die 500 Personen besucht haben. Elsässer war bereits am 13. Dezember 2015 als Redner beim Aufmarsch des »Bürgerforums« aufgetreten. Am 20. Februar sprach mit Götz Kubitschek einer der wohl bekanntesten Vertreter der »Neuen Rechten« bei einem Aufmarsch des »Altenburger Bürgerforums«.