Raues Klima

von Werner Golze

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

Tillschneider von der »Patriotischen Plattform« zusammen mit Mayer aus Freital/Sachsen

Tillschneider von der »Patriotischen Plattform« zusammen mit Mayer aus Freital/Sachsen

Nach ihrem Wahlerfolg positioniert sich die AfD in Sachsen-Anhalt mit scharfen rechten Tönen und neu-rechten Kontakten.

Etwa sieben Minuten währte das Amt des von der AfD-Fraktion gestellten Vizepräsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt. In einer der ersten Sitzungen des neu gewählten Landesparlaments zeigte sich der AfD-Abgeordnete Daniel Rausch mit der Führung einer Landtagssitzung völlig überfordert. Wenig später gab Rausch seinen Rückzug von diesem Amt bekannt – aus, wie es hieß, gesundheitlichen Gründen. Dass der AfD die parlamentarische Etikette ziemlich egal ist, wurde deutlich, als die Fraktion aus Anlass einer Demonstration von EigenheimbesitzerInnen gegen die Nachzahlung von Abwassergebühren geschlossen den Plenarsaal verließ, um den Demonstrierenden ihre Solidarität zu versichern.

Innerparteilicher Machtkampf?

Der Jubel über den Triumph bei den Landtagswahlen ist verhallt. Nun geht es bei der AfD um die Verteilung der innerparteilichen Macht. Fraktionschef André Poggenburg hatte auf einem Landesparteitag im Mai entgegen seiner Ankündigung vor der Landtagswahl erneut als Landesvorsitzender kandidiert und war gewählt worden. Dies sorgte in einigen Kreisverbänden für Unmut – auch weil die AfD im Süden des Landes stärker präsent ist als im Norden. Doch Poggenburgs KritikerInnen sind vorerst im neuen Landesvorstand nicht vertreten und somit kaltgestellt. In der Fraktion jedoch soll Poggenburgs Streben nach Macht umstritten sein. Als Indiz hierfür gilt manchen, dass er bei der Wahl zum Fraktionschef nur 70 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Mit dem neu in den Landesvorstand gewählten Hans Thomas Tillschneider ist allerdings ein Ideologe der Neuen Rechten für die Programmarbeit der Partei mitverantwortlich, was die Position des rechten Parteiflügels stärken dürfte.

Das Parlament als Propagandabühne

Das Parlament begreift die AfD-Fraktion als Forum für ihre rechte Agitation. Ihr Vorreiter ist der Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, Sprecher der rechten »Patriotischen Plattform« in der Partei und Multiplikator neu-rechter Netzwerke wie »Ein Prozent« und »Institut für Staatspolitik« (IfS). In einer Debatte um die Ächtung von Rassismus wehrte sich der Politiker wortreich gegen den Vorwurf, die AfD vertrete rassistische Positionen. Zugleich hantierte er anlässlich einer Debatte um die Verschärfung des Asylrechts mit dem Vokabular des neu-rechten rassistischen »Ethnopluralismus«.

Außerhalb des Parlaments fallen seine Attacken noch deutlicher aus. Beim diesjährigen sogenannten »Kyffhäusertreffen« des innerparteilichen Zusammenschlusses »Der Flügel« fabulierte Tillschneider im Tonfall der NPD über die EU: Sie bilde »einen Ring um uns zu knechten.« Er forderte einen Austritt Deutschlands aus der EU und der Nato. Zur Übernahme politischer Macht sei man bereit, wenn man die Mehrheit im Land stelle, und »das Establishment zusammengebrochen ist«. Er verteidigte erneut seinen Auftritt bei PEGIDA in Dresden, begründete die Notwendigkeit eines Schulterschlusses zwischen AfD und PEGIDA und setzte sich für eine Ehrung des PEGIDA-Frontmanns, Lutz Bachmann, mit dem Bundesverdienstkreuz ein.

Durch ihren Status als zweitstärkste Fraktion im Landtag hat die Partei Anspruch auf Repräsentanz in zahlreichen parlamentarischen und außerparlamentarischen Gremien. So auch in der »Parlamentarischen Kontrollkommission« (PKK), jenem Gremium, das die Arbeit des Verfassungsschutzes kontrollieren soll. Hierfür benannte die AfD den Ab-geordneten Volker Olenciak. Diesem werden Sympathien für die Reichsbürger-bewegung nachgesagt und antisemitische Postings auf Facebook vorgeworfen. Doch gegen alle Einwände wurde Olenciak mit großer Mehrheit in das Aufsichtsgremium für die Schlapphüte gewählt.

Rechtes Kontaktnetz

Keine Berührungsängste hat die Fraktion zur »Identitären Bewegung« (IB) in Sachsen-Anhalt. So war Tillschneider Referent eines Vortragsabends der IB in Halle/Saale. Antifa-Gruppen aus Sachsen-Anhalt verweisen auf die zahlreichen personellen Kontinuitäten der »Identitären« zu den Neonazis der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« (JN). Vormalige JN-AktivistInnen wie Mario A. Müller sind nun bei der »identitären« Gruppe »Kontrakultur« in Halle aktiv. Ob Identitäre Bewegung, PEGIDA oder IfS: Die politischen Sympathien der AfD sind breit angelegt.

Im Juni kamen Zweifel auf, ob der stramme Rechtskurs von allen in Partei und Fraktion mitgetragen wird. Ende des Monats wurde ein Brief bekannt, in dem Partei- und Fraktionsmitglieder fordern, die AfD solle sich von den »Identitären« fernhalten. Zudem kritisieren sie, dass die »Patriotische Plattform« so tue, als spräche sie für die gesamte Partei. Doch im Kern ging es weniger um die inhaltliche Ausrichtung der Partei, als vielmehr um politische Stil- und Personalfragen. Denn wenige Tage später unterzeichnete mit Hans Thomas Tillschneider ausgerechnet der Hauptprotagonist der kritisierten »Patriotischen Plattform« die Erklärung mit dem Titel »Ruf der Vernunft«. In einem internen Schreiben rechtfertigte er seine Unterschrift als taktisches Manöver, um den KritikerInnen »den Wind aus den Segeln zu nehmen.« Mit Erfolg. Der fraktionsinterne Aufstand gegen André Poggenburg gilt vorerst als gescheitert. Dass Poggenburg nun anstelle des zurückgetretenen Daniel Rausch das Amt des Landtagsvizepräsenten anstrebt und zu diesem Zweck vom Frak-tionsvorsitz zurücktreten will, ist ein riskanter Schachzug. Denn Poggenburgs Wahl ist keineswegs ein parlamentarischer Automatismus. Dass die Kontakte der AfD-Landtagsfraktion zum neu-rechten IfS mit seinem Sitz im Süden Sachsen-Anhalts eng sind, war schon anlässlich der Landtagswahl zu erkennen gewesen (s. drr Nr. 160). Im Juni wurde in Schnellroda in Anwesenheit von »Antaios«-Verleger Götz Kubitschek der AfD-Kreisverband Merseburg als Kreisverband Saalekreis neugegründet. Ort der Gründung war jene Schankwirtschaft, in der Björn Höcke im November 2015 seine berüchtigte rassistische Rede über den »Platzhaltertyp« und den »Ausbreitungstyp« in der Bevölkerungspolitik gehalten hatte.

Das politische Klima im Land sei rauer geworden, konstatierten im Frühsommer PolitikerInnen der anderen Fraktionen im Landtag. In der Tat: Die AfD testet die politische Kultur des Landes gerade daraufhin aus, wie weit sie mit ihren rechtsautoritären und rassistischen Vorstößen gehen kann. Dass der Partei ihre deutliche rechte Positionierung geschadet hat, ist bislang nicht erkennbar.