»Bürgerwehr FTL/360«

von Danilo Starosta

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

Freitaler RassistInnen zur Unterstützung in Heidenau

Freitaler RassistInnen zur Unterstützung in Heidenau

Im März 2015 wird eine Bürgerwehr aus Freital bekannt, die in einer Buslinie für Ordnung und Sicherheit sorgen will. Im November 2015 werden Mitglieder der Gruppe wegen »Bildung einer terroristischen Vereinigung« festgenommen.

Bei ihrem Ansinnen, in Bussen für Ordnung zu sorgen, hilft der »Bürgerwehr FTL/360«, dass ihr mit Timo Schulz und Patrick Festing zwei Angestellte des Regionalverkehrs »Dresden GmbH« angehören. Im November 2015 werden Schulz und Festing sowie ein weiteres mutmaßliches Mitglied der Gruppe, Philipp Wendelin, verhaftet und verbleiben in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt stuft Schulz und Festing als mutmaßliche Rädelsführer der militant auftretenden Gruppe ein.

Am 19. April werden auf Anweisung der Bundesstaatsanwaltschaft, die inzwischen die Ermittlungen an sich gezogen hat, Rico Knobloch, Maria Kleinert, Justin Schiefner, Sebastian Weiß und Maik Seidel als weitere mutmaßliche Gruppenmitglieder der »Bürgerwehr FTL/360« im Rahmen von mehreren Hausdurchsuchungen verhaftet.

Die Liste der Beschuldigungen gegen die Mitglieder der »Bürgerwehr FTL/360« ist lang. Der Gruppe werden mehrere Anschläge mit Sprengsätzen auf Unterkünfte von AsylbewerberInnen in Freital, auf Engagierte in der Flüchtlingsarbeit sowie auf politische GegnerInnen zur Last gelegt. Zudem stehen die Beschuldigten unter dem Verdacht des versuchten Mordes. Damit einher geht der Vorwurf der »Bildung einer terroristischen Vereinigung«.

Sächsischer Verfassungsschutz in Unkenntnis

Eine Anfrage im sächsischen Landtag ergab, dass das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen, laut Innenminister Markus Ulbig (CDU), bis Juli 2015 »keine Erkenntnisse über tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen einer ‹Bürgerwehr FTL/360›« gehabt haben will. Dabei hätte zumindest der vermeintliche »Rädelsführer« Timo Schulz den Behörden bekannt sein können. Schulz hatte in Norddeutschland in den letzten Jahren an mehreren Aufzügen militanter Neonazis teilgenommen – auffällig durch Fan-Accessoires des Fußballvereins »Dynamo Dresden«. Neben Schulz bewegen sich auch weitere Mitglieder der Gruppe im Spektrum der organisierten rechten Hooliganszene von »Dynamo Dresden«. Dazu zählt auch Rico Knobloch, der verdächtigt wird, im Januar 2016 an dem Überfall von Hooligans auf den Leipziger Stadtteil Connewitz beteiligt gewesen zu sein.

Es ist zu vermuten, dass dem Inlandsgeheimdienst die militanten Absichten und die neonazistische Gesinnung der Gruppe verborgen blieben, weil sich die Mitglieder der Gruppe mehrheitlich über ihre Zustimmung zur Dresdner PEGIDA-Bewegung gefunden hatten. Für das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz war und ist jedoch PEGIDA Dresden kein Beobachtungsobjekt.

»Rechtsterroristische Struktur«?

Die Einordnung der Gruppe »Bürgerwehr FTL/360« als »rechtsterroristische Struktur«, wie sie der Bundesinnenminister und frühere sächsische Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgenommen hat, wirft Fragen auf. Bis zur Selbstenttarnung des NSU negierten Sicherheitsbehörden die Existenz »rechtsterroristischer Strukturen« in der BRD. Erstaunlich ist die Bewertung der Taten der Freitaler »Bürgerwehr« auch in Relation zu den Taten des NSU. Diese waren durch den Einsatz von militärisch genutztem Sprengstoff (TNT) und Schusswaffen gekennzeichnet und zielten bewusst auf das Töten von Menschen ab. Die Freitaler »Bürgerwehr« verwendete illegale Pyrotechnik, Böller und Buttersäure. Wenn auch beim Einsatz dieser Gegenstände gegen Menschen ebenso schwere und tödliche Verletzungen in Kauf genommen werden müssen, und die Gruppe von einer niedrigen Gewaltschwelle geprägt war, so unterscheiden sich deren Taten dennoch von den gezielten Morden des NSU. Es stellt sich die Frage, ob im Innenministerium ein Umdenken stattgefunden hat oder ob hier nicht vielmehr Handlungsbereitschaft signalisiert werden sollte.

Die Miliz der Protestbewegung

Die Bundesstaatsanwaltschaft hat gegen den Widerstand der sächsischen Behörden mit der Festnahme der Bürgerwehr aus Freital eine militante Gruppierung der seit 2014 bundesweit unvermindert andauernden rassistischen »Antiasylprotestbewegung« dingfest gemacht. Diese marschiert unterdessen unbeirrt weiter vor Asylunterkünften auf und hetzt in den sozialen Medien über jedes erträgliche Maß hinaus gegen fundamentale Menschenrechte. Die demokratie- und menschenfeindliche Gesinnung der Bewegung hat in Sachsen, aber auch bundesweit, AnhängerInnen gefunden, die vor Angriffen auf Leib und Leben nicht zurückschrecken. Ihre Motivation zur Umsetzung ihrer Taten schöpfte wohl auch die Freitaler »Bürgerwehr« aus der sich radikalisierenden Stimmung der Bewegung. Damit stand die Gruppe in der Region zudem keineswegs allein. Im September 2015 bekundeten der PEGIDA-Ableger »FRIGIDA – Freital ist und bleibt frei«, die Gruppe »Widerstand Freital« und die »Bürgerwehr Freital FTL/360« in einer gemeinsamen Erklärung: »Wir besprachen unsere gemeinsamen Ziele und welche Wege uns dahin führen sollen. Wir hatten alle einige Schnittpunkte und haben beschlossen gemeinsam diese Wege zu gehen. Wir werden uns in allen Aktionen gegenseitig unterstützen. Mit Rat und Tat. Schulterschluss der Freitaler Bewegungen (…) Gemeinsam für Freital, gemeinsam für Deutschland!«

Die »Bürgerwehr« Freital ist ein weiteres Beispiel für die Gewaltbereitschaft und Gewaltobsession des verharmlosend als »Antiasylproteste« bezeichneten Aktionen. Gleichsam steht Freital wie Heidenau, Clausnitz, Meißen und Dresden für die von dauerhaftem Versagen beim Aufbau demokratischer Alltagswelten geprägten »sächsischen Verhältnisse«.