Geheimrat vor Gericht

von Robert Andreasch

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

Olaf Ogorek 2011 – »Pesseverantwortlicher der OSS«

Olaf Ogorek 2011 – »Pesseverantwortlicher der OSS«

Das Münchner Oberlandesgericht verhandelt seit zwei Monaten gegen vier Mitglieder der »Oldschool Society« (OSS) wegen »Bildung einer terroristischen Vereinigung«. Der Prozess hat in den zehn Verhandlungstagen bis Juli 2016 kaum neue Erkenntnisse über die Gruppe geliefert.

Angeklagte und nicht Angeklagte

Andreas Hafemann aus Augsburg firmierte als »Präsident« der seit spätestens 2014 bestehenden Gruppe. In einem abgehörten Telefonat erwiderte er auf den Vorschlag, eine Nagelbombe in einer Geflüchtetenunterkunft zu zünden: »Tät mir schon gefallen, wär schon nach meinem Geschmack.« Die Idee hierzu hatte »Vizepräsident« Markus Wilms geliefert, der in Sachsen ein Sicherheitsgewerbe aufzubauen versuchte. »Deswegen habe ich schon gedacht, hier, so ein Cobra 11, hier, weißt Du, hier Dachpappenstifte draufmachen mit Sekundenkleber ringsum, (…) im Asylheim so, weißt Du, Fenster eingeschmissen und dann das Ding hinterhergejagt.« Die »Cobra 11«-Sprengsätze soll Wilms Freundin Denise Vanessa Grüneberg besorgt haben, die bei der OSS den Posten der »Schriftführerin« innehatte. Olaf Ogorek aus Nordrhein-Westfalen agierte als »Pressesprecher«, innerhalb der Gruppe soll er massiv für militante Aktionen plädiert haben: »Asylantenheim, Antifaquartier oder Ölaugen umschuppen.« Ogorek schlug vor, die OSS solle einen Anschlag auf den Kölner Dom begehen, um diesen dann »Ausländern und Salafisten in die Schuhe zu schieben«. Die Bundesanwaltschaft hat schlussendlich nur diese vier Neonazis aus dem inneren Zirkel der OSS, dem sogenannten »Geheimrat«, angeklagt, aber zum Beispiel nicht »Sprengmeister« Kevin L. (Limburg), der eine Moschee angreifen wollte, oder den OSS-Postfachinhaber Florian Wutzl Die Struktur der »Oldschool Society« wurde durch die Razzien und Festnahmen nicht zerschlagen: Ein Teil der ehemaligen OSS-Mitglieder ist unter dem Namen »Odins Germanische Familie« weiter zusammen aktiv.

V-Mann »Rudi«

Die behördlichen Erkenntnisse aus dem Telegram-Gruppenchat der OSS soll ein V-Mann namens »Rudi« beschafft haben, der, so sagte Bundesanwalt Jörn Hauschild in einer Verhandlungspause des ersten Prozesstags, für »ein Landesamt für Verfassungsschutz« gearbeitet habe. Tatsächlich dürfte es sich eher um einen verdeckten Ermittler (VE) der Polizei gehandelt haben. Ein Beamter des Bundeskriminalamts gab Ende Juni im Prozess zu, man habe befürchtet, die Gruppe könnte quasi »unter Polizeiaufsicht« und »mit einem verdeckten Ermittler auf dem Treffen« zu terroristischen Taten schreiten und sich daher für einen Zugriff entschieden. Man habe damals bei der OSS »Türken ausbluten« sehen, ein »Asylheim abballern«, Linke mit Baseballschlägern traktieren oder Molotow-Cocktails in »Antifa-Häuser« werfen wollen. Identität und Wirken von VE »Rudi« durften im Verfahren wegen »fehlender Aussagegenehmigung« der Beteiligten bisher nicht angesprochen werden.

OSS und Gesellschaft

Bundesanwaltschaft und Politik nutzten die Aufdeckung der militanten Pläne der »Oldschool Society« im letzten Jahr, um vom skandalösen Behördenverhalten im NSU-Komplex abzulenken. Nach den Razzien am 6. Mai 2015 gegen die OSS sagte Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz: »Trotz der vorherrschenden Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus behält der Verfassungsschutz auch die gewaltbereite rechts- und linksextremistische Szene in Deutschland fest im Blick. (…) Durch den Einsatz verschiedener nachrichtendienstlicher Mittel wurden die Gruppe und ihre mutmaßlich rechtsterroristischen Anschlagsvorhaben frühzeitig aufgeklärt.« Andere waren über die fehlende Konspirativität der Gruppe verblüfft. Eine terroristische Vereinigung mit Postfach im niederbayerischen Plattling, deren Mitglieder einen youtube-Kanal unterhalten und am Telefon offen über Anschlagsplanungen sprechen? Als das »Vice«-Magazin über »die dümmste Terrorgruppe Deutschlands« schrieb, griffen selbst AntifaschistInnen das bereitwillig auf. Die erneut offensichtlich gewordene terroristische Bedrohung von rechts löste kein Erschrecken mehr aus. Dabei scheinen die OSS-Mitglieder ja entschlossen gewesen zu sein, Menschen zu verletzen oder zu töten. Zeugt der weitgehende Verzicht auf klandestines Handeln nicht gerade von der völligen Sicherheit, in der sich militante Neonazis momentan wiegen? Die Bundesanwaltschaft, die bereits den »Nationalsozialistischen Untergrund« auf ein »Trio« reduzierte, lenkte schließlich mit der Auswahl von nur noch vier OSS-Angeklagten von der netzwerkförmigen Organisierung militanter Neonazis in der Bundesrepublik ab. Dass ein verdeckter Ermittler der Behörden die terroristischen Planungen der »Oldschool Society« aufgedeckt haben soll, könnte zudem mithelfen, die Kritik an V-Personenwesen und Inlandsgeheimdiensten weiter zum Verstummen zu bringen.

Neonazismus alter Schule

Der Prozess gegen die OSS rückt für all diejenigen die Verhältnisse wieder zurecht, die das Problem Neonazismus als vorgebliches Randphänomen einiger von der Mehrheitsbevölkerung abgeschotteter Outlaws behandeln wollen. Am Beispiel der OSS lässt sich wunderbar »belegen«: Neonazis, das sind doch die Glatzköpfe und Freaks, mit schwerer Kindheit und ohne Job. Neonazigewalt wird verharmlost und als ihre Ursachen werden nicht gesellschaftlich verbreitete Ressentiments und Verrohung, sondern Unterschichtszugehörigkeit, Frust und Alkohol ausgemacht. Statt nach einem rassistischen Weltbild zu fragen, bohrte das Gericht beispielsweise lieber zu Grünebergs Aussehen nach: »Man sieht, dass Sie gepierct sind. Was bedeutet das für Sie?«