Brexit

Redaktion "der rechte rand" im Gedenken an die ermordete Jo Cox

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr hielten. Und so schaffen sie es, ein klassenübergreifendes und reaktionäres Bündnis von Mob und Elite an die Wahlurnen und auf die Straßen zu bringen – gegen Europa, gegen den Sozialstaat, gegen Geflüchtete, gegen Linke und gegen die Idee von Moderne und Gleichheit.

Rechter Anschlag

In den Wochen vor dem Referendum verschärfte sich der Ton. Der populäre konservative, ehemalige Bürgermeister von London, Boris Johnson, stieß zur »Leave«-Fraktion. Die Hetze gegen Flüchtlinge aus islamischen Ländern, gegen ArbeitsmigrantInnen vor allem aus Osteuropa und die Stimmungmache für die Bewahrung der eigenen kulturellen Identität (»Wir wollen unser Land zurück«) waren die rechten Parolen von UKIP und Co. Trauriger und brutaler Höhepunkt des Wahlkampfes war der Mord an der antirassistischen Abgeordneten Jo Cox (»Labour Party«) am 17. Juni 2016, die sich deutlich gegen den Brexit positioniert hatte und eine wichtige Unterstützerin des linken Labour-Chefs Jeremy Corbyn war. Unter dringendem Tatverdacht wurde der über 50-jährige Thomas Mair verhaftet. Er ist Sympathisant und Aktivist der extremen Rechten. Während der Tat rief er »Britain First«, ein Indiz für seine nationalistische Gesinnung und ein Verweis auf eine gleichnamige Organisation. Mair hatte in der Vergangenheit Terror-Anleitungen bestellt und ist auf Fotos bei öffentlichen Auftritten rechter Gruppen zu sehen. Die Parallelen der Tat zum versuchten Mord an Henriette Reker im Oktober 2015 während des Wahlkampfes in Köln sind unübersehbar. Eine Monate dauernde öffentliche Debatte und Hetze um ein auch emotional besetztes Thema der Rechten führte am Ende zur Tat. In beiden Fällen fühlte sich ein in den 1990er Jahren politisierter Neonazi dazu berufen, ein Fanal zu setzen.

Krise

Die Entscheidung Pro-Brexit hat das Land in eine Krise gestürzt – in eine ökonomische, eine politische und eine gesellschaftliche. Die sozialen Versprechungen von UKIP als Begründung für den EU-Ausstieg, zum Beispiel mehr Geld für das gebeutelte Gesundheitswesen, wurden sofort nach der Wahl kassiert – sie entpuppten sich als Wahlkampf-Lügen. Politisch sind das Land und die gesamte Gesellschaft gespalten – nicht nur die Konservativen, sondern auch die Linke. Gleich nach dem Referendum verabschiedeten sich die drei Hauptfiguren des Wahlkampfes von der politischen Bühne. Cameron hat als Verfechter des Verbleibs in der EU verloren, Johnson verlor einen internen Machtkampf bei den »Tories« und wurde von der neuen Premierministerin Theresa May am 13. Juli zum Außenminster ernannt. Und Nigel Farage? Nun, er wolle »sein Leben zurück« und trat vom Vorsitz der UKIP zurück. Sein Mandat als Europaabgeordneter möchte er hingegen nicht niederlegen. Die Umsetzung für die maßgeblich von ihnen forcierte Entscheidung wollen sie nicht tragen, den Austritt Großbritanniens aus der EU nicht organisieren, die Verhandlungen nicht führen müssen. Sie hinterlassen der Gesellschaft ein durch Hetze und Lügen vergiftetes Klima.

Erste Auswirkungen hat die Brexit-Kampagne bereits: Laut dem »National Police Chiefs’ Council« sind allein die offiziell registrierten »Hate-Crimes« nach dem Referendum sprunghaft angestiegen. Rassistische Pöbeleien, Drohungen, Schläge – betroffen davon sind alle, die nicht in das Bild der »echten Briten« passen: OsteuropäerInnen, Menschen -jüdischen oder islamischen Glaubens, Menschen mit Vorfahren außerhalb Großbritanniens. »Wir sind möglicherweise geschockt, aber wir sollten nicht überrascht sein«, fasst die antifaschistische und anti-rassistische Organisation »Hope not Hate« die Ereignisse auf ihrer Website zusammen. »Die giftige Art und Weise der Debatte um das Referendum hat tief sitzenden Hass entfesselt.« Und den Worten folgen Taten.