Die Alternative für Deutschland


Das Grußwort war mehr als eine höfliche Begrüßung. Auf dem fünften Bundesparteitag der »Alternative für Deutschland« (AfD) umriss Jörg Meuthen als Vorsitzender des gastgebenden Landesverbandes Baden-Württemberg in Stuttgart die programmatische Ausrichtung. Der dozierende Ton des Professors für Volkswirtschaftslehre ist seit den Landtagswahlkämpfen einer provokanten Pointierung gewichen. Die Sätze sind gezielt, die Worte bewusst gewählt. Die AfD müsse drei Strömungen in sich vereinen, sagte er: einen »modernen Konservativismus, konsequente Freiheitlichkeit und gesunden Patriotismus« – dafür erhielt er sofort den erhofften Applaus.

Seite_06_AufmacherSP

Selbstbewusstsein

Am Wochenende des 30. April und des 1. Mai 2016 bekam Meuthen von den über 2.100 Mitgliedern und FörderInnen der Partei nach seiner Rede den lautesten Zuspruch. Die Gäste des AfD-Programmparteitags – zumeist Männer im mittleren und hohen Alter, meist im feinen Anzug oder schicken Casual-Look – standen auf, klatschen und skandierten »AfD, AfD, AfD«. Die Erfolge bei den Landtagswahlen am 13. März in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben das Selbstbewusstsein gestärkt. Auf der Bühne wechselten während der Reden auf einer Leinwand die Bilder der drei Spitzenkandidaten der letzten Wahlen: André Poggenburg, Uwe Junge und Jörg Meuthen mit den jeweiligen Wahlergebnissen: 24,3 Prozent, 12,6 Prozent und 15,1 Prozent. »Die Alternative für Deutschland ist spätestens seit diesem 13.3. eine feste parlamentarische Größe in Deutschland geworden«, sagt Meuthen, der nun auch Fraktionschef der AfD im Stuttgarter Landtag ist, unter Applaus und lobte die Streit- und Diskussionskultur in der Partei. Der 74 Seiten starke Entwurf für ein Grundsatzprogramm, über 1.400 Seiten mit Änderungsanträgen und drei Alternativentwürfe lagen dem Parteitag vor. »Ich bin heilfroh, dass wir im Vorfeld des Parteitages gestritten haben«, sagte der Bundessprecher und betonte, sich auf die Debatte zu freuen, denn es ginge um die »Partei-DNA«.

Rechtsruck

Ein »Gruselparteitag« sei für ihn der CDU-Bundesparteitag im Dezember 2015 gewesen, als die Kanzlerin Angela Merkel nicht bloß ohne Diskussion eine falsche Linie vorgegeben hätte, sondern dafür auch noch zehn Minuten vorbestellten Applaus bekommen hätte. »Wir sind doch hier keine CDU-Duracel-Klatschhäschen«, sagte Meuthen – doch da standen auch schon die ersten Gäste auf und klatschten. Nach seiner Begrüßung mit Vorgabe der Linie sprach Frauke Petry. Die Bundessprecherin machte auf ihr Outfit aufmerksam: Grüner Blazer und roten Rock, statt wie sonst eine dunkelblaue Kombination. »Wir sollten alle Farben okkupieren«, sagte sie und erklärte, dass die politischen Farben so in Zukunft unwichtig würden und dann würden sie, »die Blauen«, das »neue Bunt mit allen Farben« okkupieren. Einzelne Lacher folgten. Im Saal war aber schnell spürbar, dass nicht Petry sondern Meuthen die Begriffe definierte und den programmatischen Rahmen skizzierte. Schon im Vorfeld war das zu erkennen: Die konservative Tageszeitung »Frankfurter Allgemeine Zeitung« führte ein Interview mit Alexander Gauland und Meuthen über die Partei und ihre Politik während das Boulevard-Blatt »Bunte« ein Gespräch mit Petry und ihrem Lebenspartner Marcus Pretzell über deren neue Liebe führte.
Ohne Widerspruch des Parteitages erklärte Pretzell am Saalmikrofon, dass er als AfD-Europaabgeordneter der Fraktion »Europa der Nationen und der Freiheit« (»Europe of Nations and Freedom«) beitreten werde, die vom französischen »Front National« bestimmt wird. Eine politische Nähe, die die AfD früher mied. Doch mittlerweile ist das kein Problem mehr, rückte ja auch die gesamte Richtung der Partei und ihres Programms weit nach rechts. Gauland und Beatrix von Storch hatten schon vor dem Parteitag für die AfD »rechtspopulistisch« und »Anti-Islam-Partei« als Bezeichnung akzeptiert.

Streit um den Kurs

Doch manchen geht der Kurs zu weit nach rechts. Unter anderem Dieter Stein, der auf dem Parteitag in der zweiten Reihe saß. Der Chefredakteur der rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« warnt seit Monaten aus strategischen Gründen vor einem zu scharfen Rechtskurs. »Diese Selbstpositionierung als rechtspopulistisch ist reichlich dämlich«, sagte er bei einer Veranstaltung der AfD-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg. Im Saal wich er aus. Für- und Widerspruch hätte er auf seine Aussage erhalten, antwortete Stein auf Nachfrage. Am Eingang zum Bundesparteitag hatte die Wochenzeitung jedenfalls als einzige Nicht-Parteiorganisation einen großen Stand aufgebaut. Zumindest ein Beschluss dürfte Stein beruhigt haben. Mit 996 gegen 806 Stimmen beschloss der Parteitag, die saarländische AfD wegen Kontakten in die extreme Rechte aufzulösen.

»Links-rot-grün verseucht«

In der Programmdebatte setzten sich überwiegend die rechteren Positionen durch. Einige Kernpunkte: »Der Islam gehört nicht zu Deutschland«, »Ungeregelte Asylzuwanderung« schade Deutschland, die Türkei soll kein Mitglied der EU werden, die EU soll zu Gunsten der nationalen Souveränität zurückgedrängt werden, die Zahl der Abtreibungen soll sinken und die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner jetzigen Form. Schon bei der Begrüßung hatte Meuthen unter viel Applaus den Kurs skizziert: »Und geben wir Bundesjustizminister Maas einmal recht, aber ein einziges mal völlig recht. Er hat gestern verlauten lassen, unser Parteiprogramm sei ein ´Fahrplan in ein anderes Deutschland´. Liebe Parteifreunde, wo der Mann Recht hat, hat er Recht. (…) Und zwar in ein Deutschland weg vom links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland, vom dem wir die Nase voll haben«. Der Saal stand und Meuthen genoss den Applaus.